Fasten in der Hitze des Ramadan
Islamverbände empfehlen, das Ritual bei Kindern und Jugendlichen nicht zu übertreiben
Benedikt wundert sich. Mit seinen Freunden ist er stundenlang durch den Freizeitpark bei Köln geflitzt, alle haben Pommes gefuttert, Süßes - und vor allem viel Eis an dem heißen Tag. Nur einer nicht. »Schon krass, Dogan hat nichts gegessen und noch nicht mal was getrunken. Er fastet. Wir anderen fanden das hart«, schildert der 15-Jährige nach dem Ausflug. »Irgendwie habe ich übelsten Respekt davor. Aber wozu das gut sein soll, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Gesund ist das bestimmt nicht.«
Ginge es nach dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, sollte ganztägiger Verzicht auf Essen und Trinken bei Heranwachsenden tabu sein. »Das Fasten schädigt die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen«, sagt Verbandschef Wolfram Hartmann und nennt Folgen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Kreislaufkollaps.
Während der Fastenzeit sollen Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken verzichten. Da der Ramadan diesmal - vom 18. Juni bis 16. Juli - auf lange Sommertage mit hohen Temperaturen falle, seien die Risiken besonders groß. »Bei Kindern ist der Wasseranteil am Körpergewicht sehr hoch, sie müssen daher regelmäßig über den Tag verteilt ausreichend trinken«, sagt Hartmann. Sie könnten Flüssigkeit schlecht speichern.
Der Ramadan sei eine wichtige Zeit, betont Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime. »In diesem Monat erfährt der Muslim spirituelle Reinigung.« Das Fastengebot gelte ab der Pubertät. Da oft Kinder mitfasten wollten, handelten einige Eltern mit ihnen einen Kompromiss aus, etwa ein Verzicht am Wochenende. Doch die körperliche Unversehrtheit sei ein religiöses Gebot und stehe über dem Fasten, so Mazyek.
Die Türkisch-Islamische Union Ditib betont: »Die islamische Lehre, aber auch die Tradition, sieht das Fasten für Kinder nicht vor.« Zekeriya Altug, Abteilungsleiter für Außenbeziehungen, sagt: »Manchmal wollen Kinder aber den Erwachsenen nacheifern und wollen unbedingt mitfasten.« Manche Eltern erlaubten das, allerdings nicht ganztägig. Üblicherweise gebe es mittags etwas zu essen und trinken. Jugendliche könnten das Fasten aber körperlich durchstehen und seien dazu angehalten. Es gelte: »Ein Zwang zum Fasten kann und darf nicht von Außenstehenden ausgeübt werden.«
»Sobald einer meiner Schüler akute Kopfschmerzen hat, über Schwindel klagt oder meint, es nicht mehr zu packen, sage ich: stopp, sofort aufhören mit dem Fasten. Es sind ja zum Teil auch schon Fünftklässler dabei, also Elfjährige«, betont Lamya Kaddor, Gründerin des Liberal-Islamischen Bunds. Sie gibt im nordrhein-westfälischen Dinslaken islamischen Religionsunterricht. »Der Islam ist keine rigide Religion. Manche Muslime wissen das nicht und machen es sich und ihren Kindern zu schwer.« Es gebe klare Ausnahmen. »Wer krank ist oder droht, krank zu werden, soll nicht fasten.« Kaddor rät, den Nachwuchs ohne Druck an das Thema heranzuführen. »Man könnte zum Beispiel zwei Stunden am Tag vereinbaren, in denen Kinder altersgemäß das Verzichten üben.« Sie schätzt, dass 60 bis 70 Prozent der muslimischen Heranwachsenden in Deutschland mitfasten - auch wegen des Zugehörigkeits- und Gemeinschaftsgefühls.
Dennoch werde bei Minderjährigen mitunter übertrieben, schildern Ärzte: »Die meisten unserer Kollegen haben bereits negative Erfahrungen gemacht, wenn Kinder und Jugendliche fasten«, sagt Jugendmediziner Hartmann. Das Problem beschäftige die Kinderärzte bereits seit vielen Jahren. Er appelliert an Eltern, ihren Kinder schon wegen des Bewegungsdrangs über den Tag zumindest kleine Mengen Essen und Trinken zu geben. Und: »Nutzen Sie den Ramadan, um von Limo, Fruchtsaftgetränken, Eistee und Cola auf gesundes Wasser umzustellen.« dpa/nd
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