Holprig in die Sommerpause

Thüringens Grüne stellen beitragsfreies Kita-Jahr infrage - ein wichtiges Projekt der Koalition

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Nach dem Hin und Her um die Finanzierung freier Schulen steuert Rot-Rot-Grün in Thüringen auf neue Debatten in der Bildungspolitik zu. Diesmal geht es um das beitragsfreie erste Kindergartenjahr.

Erfurt. Über ein wichtiges Vorhaben von Rot-Rot-Grün zur frühkindlichen Bildung ist in der Thüringer Regierungskoalition Streit entbrannt: das beitragsfreie erste Kindergartenjahr. Während Grünen-Fraktionschef Dirk Adams das Projekt in einem Interview der »Ostthüringer Zeitung« am Dienstag infrage stellte, kam von seinem SPD-Kollegen Matthias Hey massive Kritik an diesem Vorstoß. »Ich möchte solche Ideen nicht erst aus der Zeitung erfahren«, empörte sich Hey. Zuvor hatten sich auch Wohlfahrtsverbände skeptisch zu dem Vorhaben geäußert. Nach monatelangem Hin und Her hatte sich die rot-rot-grüne Koalition in der vergangenen Woche auf ein Gesetz zur Finanzierung der nichtstaatlichen Schulen geeinigt.

Das beitragsfreie Kita-Jahr höre sich zwar vernünftig an, sagte Adams der Zeitung. »In der Debatte kamen aber Zweifel, ob diese Förderung nicht am Bedarf vorbei geht.« Er sprach sich dafür aus, die rund 19 Millionen Euro, die durch die Abschaffung des Landeserziehungsgeldes frei werden, den Kommunen für die Kitas zu überweisen - etwa für die Sanierung oder Erweiterung der Gebäude, das Mittagessen oder eben für einen Verzicht auf Beiträge. Dann könnten sie selbst entscheiden.

Hey sprach von einem »zentralen Projekt des Koalitionsvertrages«. »Es müssten schon äußerst plausible und stichhaltige Gründe vorliegen, wenn von dem abgewichen werden soll.« LINKE-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow hatte in ihrer Mitteilung nur vier Zeilen für Adams Vorstoß übrig. Sie halte an dem Ziel fest, den Einstieg in eine kostenlose frühkindliche Bildung »für alle« zu schaffen, betonte sie.

»Die Qualitätssteigerung muss Vorrang haben vor einem beitragsfreien Kita-Jahr«, erklärte Steffen Richter vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Das Geld sollte aus seiner Sicht etwa dafür eingesetzt werden, den Personalschlüssel zu verbessern. Auch der Kinderschutzbund hatte in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass das Vorhaben armen Familien kaum nütze. Sie seien von den Kosten weitestgehend freigestellt, so dass der Verzicht auf Gebühren vor allem besser verdienenden Familien zugute käme. Kritik kommt auch von der Opposition. »Die Familien werden zunehmend zum politischen Spielball und sind bei dieser Regierung offensichtlich nur vor der Wahl für Versprechungen gut«, sagte die CDU-Landtagsabgeordnete Marion Walsmann. Eltern müssten entlastet werden. CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner betonte, dass aus seiner Sicht Investitionen in die Qualität von Kindergärten bei sozial gestaffelten Beiträgen deutlich sinnvoller seien als ein beitragsfreies Kita-Jahr.

Bei der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause stehen neben der Verabschiedung des sogenannten Bildungsfreistellungsgesetzes auch immer wieder vertagte Personalentscheidungen an. Die Führungsspitze des Rechnungshofs in Rudolstadt soll komplettiert werden. Einer der drei Direktorenposten ist bereits seit dem vergangenen Jahr unbesetzt. Nun soll gleich über zwei der drei Direktoren der Prüfbehörde abgestimmt werden.

Aber nicht nur mit politischen Dauerbrennern will sich das Parlament während der letzten Landtagssitzung befassen, es geht auch um aktuelle Entwicklungen. Die CDU thematisiert den Übernahmepoker um den Dax-Konzern K+S AG (Kassel), der Konsequenzen für Arbeitsplätze in Südthüringen haben kann. Und die Grünen wollen über die gesundheitlichen Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels Glyphosat reden. Nach maximal 23 Tagesordnungspunkten geht es am Freitag dann in die parlamentarische Sommerpause. Am 9. September treffen sich die 91 Thüringer Abgeordneten dann zur nächsten Landtagssitzung. dpa/nd

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