Zwei Worte gegen das Unumgängliche

Der IWF wäre nicht dagegen, Paris ist dafür - aber Berlin sperrt sich weiter gegen Schuldenerleichterungen für Griechenland

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Schuldenerleichterungen für Griechenland sind unumgänglich - das wissen Experten, SYRIZA will sie, auch die deutsche Opposition ist dafür. Nur der Bundesfinanzminister will davon nicht reden.

Als der Sprecher von Wolfgang Schäuble am Montag gefragt wurde, was er von der griechischen Forderung nach Schuldenerleichterung hält, brauchte Martin Jäger nur zwei Worte, um die Berliner Position zu beschreiben: »kein Thema«.

Die Haltung ist bekannt, seit Ende Januar die SYRIZA-geführte Regierung die Forderung wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. Inzwischen fällt es Schäuble aber nicht mehr ganz so leicht, den Wunsch abzukanzeln - aus mehreren Gründen.

85 Prozent der Jüngeren stimmten mit »OXI«

Genauere Daten über den Ausgang des Referendums in Griechenland zeigen: Das »OXI« zur Krisenpolitik der Gläubiger spiegelt den breiten Wunsch der gesamten Bevölkerung wider. Das zeigen Zahlen des Meinungsforschungsinstitutes »Public Issue«. Mit nur wenigen Ausnahmen votierten fast alle gesellschaftlichen Gruppen, egal ob unterschieden nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad oder Berufsstand, mehrheitlich für ein »Nein«.

Der deutliche Erfolg der SYRIZA-geführten Regierung, die für eine Ablehnung plädiert hatte, stützt sich wesentlich auf die jüngeren Generationen. Auffällig: Mit zunehmendem Alter sinkt die Zahl der »OXI«-Voten, erreicht allerdings erst bei der Gruppe der über 65-Jährigen einen Anteil von unter 50 Prozent. Die Krisenpolitik am deutlichsten lehnt demnach die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen ab (85 Prozent für »Nein«), die Gruppe der 45- bis 54-Jährigen liegt mit ihrem Anteil auch noch deutlich über dem Endergebnis.

Anders dagegen die Gruppe der 65+: Hier stimmten nur 44,9 Prozent mit »OXI«. Die hohen Werte der jüngeren Generation zeigen sich auch noch einmal bei der Gruppe der Studenten. Hier votierten 85,2 Prozent mit »Nein«, in der gesamten demografischen Erhebung der Spitzenwert. rdm

Erstens sind die Stimmen jener Ökonomen inzwischen unüberhörbar, die eine Schuldenerleichterung als Mindestvoraussetzung dafür ansehen, dass in Griechenland eine eigenständige Entwicklung wieder in Gang kommt.

Ein zweiter Grund: Selbst der Internationale Währungsfonds hat sich in dieser Frage mehr oder weniger deutlich auf die Seite der griechischen Regierung geschlagen. Der IWF hatte kurz vor dem Referendum Schuldenerleichterungen unter Umständen für möglich gehalten - wenn auch mit dem Ziel, dass dies nur die Schulden der europäischen Gläubiger umfassen soll.

Und, drittens, gibt es selbst in Europa Länder wie Frankreich, die eine Umschuldung nicht mehr ausschließen wollen. »Es gibt kein Tabuthema bei den Schulden, bei der Umschuldung«, sagte Premier Manuel Valls am Dienstagmorgen. Da Europa auf dem Spiel stehe, wenn Griechenland in den Grexit gedrängt wird, müsse »alles für ein Abkommen« getan werden.

In Berlin sah man das zumindest bis zum Sondergipfel am Dienstagabend anders. SPD-Chef Sigmar Gabriel wollte über Schuldenerleichterungen erst dann reden, wenn die Regierung in Athen »auch zeigt, dass sie Reformen umsetzt«. Schäuble wies noch einmal grundsätzlich einen teilweisen Schuldenerlass zurück: »Wer die europäischen Verträge kennt, weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das bailout-Verbot« des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union fällt - demnach dürfen weder EU noch Mitgliedstaaten für Schulden eines anderen Mitgliedslandes haften. Aber: Schon zweimal hat Griechenland Schuldenerleichterungen erhalten.

Eine andere Begründung für sein Nein fand EU-Kommissar Günther Oettinger. »Die Schuldendienstleistung ist gestreckt, die Zinsen sind ganz nach unten angepasst. Das heißt, im Augenblick sind die alten Schulden in keiner Form erdrückend.«

Das sieht man in Athen anders. Schon im Juli und August werden Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Zentralbank über rund 6,5 Milliarden Euro fällig. Deshalb hatte die griechische Regierung im Streit um die Verlängerung des inzwischen ausgelaufenen zweiten Kreditprogramms auch auf eine Umstrukturierung gedrängt. Doch der Vorschlag, die Schulden bei der EZB in längerfristige Schulden beim ESM umzuwandeln, wurde nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen, bilanzierte Efklidis Tsakalotos, der inzwischen Finanzminister in Athen ist und schon länger das Verhandlungsteam der griechischen Seite koordiniert.

Schäubles Sprecher kann sich daran nicht erinnern. Jäger sagte am Montag, Schuldenerleichterung sei nicht Gegenstand der zuletzt abgebrochenen Verhandlungen gewesen.

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