Athen stellt neuen Antrag auf ESM-Gelder

Krisen-Diplomatie nach dem Referendum / Namhafte Ökonomen fordern Merkel zu Kurswechsel auf

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem neuen Antrag auf Gelder aus dem Rettungsfonds ESM will Griechenland eine Einigung im Streit mit den Gläubigern erreichen. Bis dahin geht die Krisen-Diplomatie weiter.

»Momentan wird die griechische Regierung dazu gedrängt, sich einen Revolver an die Schläfe zu halten und abzudrücken.« So steht es in einem Offenen Brief namhafter Ökonomen, über den der »Tagesspiegel« berichtet und den unter anderem Thomas Piketty, Jeffrey D. Sachs und Heiner Flassbeck unterzeichnet haben. »Doch mit der Kugel wird nicht nur Griechenlands Zukunft in Europa getötet. Die Kollateralschäden werden auch die Eurozone als Leuchtturm von Hoffnung, Demokratie und Wohlstand zerstören.«

Was als Appell an Kanzlerin Angela Merkel gedacht ist, wurde am Dienstag zur Begleitmusik der Krisen-Diplomatie, die seit dem deutlichen Nein der Griechen beim Referendum über die Gläubigerpolitik läuft. Bei einem Sondertreffen der Finanzminister der Eurozone am Nachmittag hatte man dem neuen griechischen Ressortchef Efklidis Tsakalotos klargemacht, dass ein neuer Antrag auf Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM nötig sei. Zwar hatte Premier Alexis Tsipras bereits in der vergangenen Woche und noch vor dem Referendum um Gelder aus dem ESM in Höhe von 29 Milliarden Euro gebeten. Dieser Antrag müsse nun aber überarbeitet werden - dies wird wohl bis Mittwoch dauern. Danach könnte eine Telefonkonferenz der Minister den Prozess der Prüfung des Antrags eröffnen.

Damit war kurz vor Beginn des EU-Sondergipfels am Dienstagabend auch offen, ob und worüber dort entschieden werden könne. Unmittelbar vor der Runde der Regierungschefs wollten sich Merkel, Tsipras und Frankreichs Präsident François Hollande zusammenkommen. Die Regierung in Paris hatte am Dienstag signalisiert, dass auch Umschuldung für Griechenland »kein Tabuthema« sein dürfe, wie es Premierminister Manuel Valls formulierte. Berlin ist strikt gegen eine Schuldenerleichterung, diese gehört aber zu den Kernforderungen der SYRIZA-geführten Regierung.

Ebenfalls ins Gespräch kam ein »Brückenprogramm«, mit dem die Europäische Zentralbank Griechenland in einem Vorgriff auf ein späteres Kreditpaket unter bestimmten Umständen vorab Liquidität zur Verfügung stellen könnte - jedenfalls nach Ansicht des österreichischen Notenbankchefs Ewald Nowotny, der im EZB-Rat sitzt. In der Eurogruppe wurden solche Überlegungen von den Vertretern jener Länder zurückgewiesen, die für eine kompromisslose Linie gegenüber Athen plädieren.

Nach dem Referendum in Griechenland treten nun die Differenzen innerhalb Europas über die Krisenpolitik deutlicher zutage. Während Deutschland, osteuropäische und die Baltenstaaten sowie Finnland eine harte Linie verfolgen, wirbt Frankreich mit Ländern wie Italien und Luxemburg für Zugeständnisse.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat derweil ein Signal gegen den immer lauter werdenden Chor der Grexit-Befürworter etwa in Deutschland ausgesandt. In Straßburg sagte er mit Blick auf den Euro: »Niemand darf die Griechen hinauswerfen wollen.« mit Agenturen Seite 2

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