Kunst, die für alle da war
Was mit dem Nachlass des Bildhauers Fritz Kühns geschieht, ist noch immer in der Schwebe
Metall kann so schwer sein. Es kann auch sehr leicht sein, wenn es zu Kunstvollem veredelt wurde, zu schwingenden Flügeln, sich öffnenden und schließenden Blütenblättern, zarten Windspielen, einem filigranen Buchstabenteppich, noch dazu von einem international geachteten Metallbildhauer: Fritz Kühn. Dessen berühmtes A-Portal an der Berliner Stadtbibliothek wird in diesem Jahr 50. Das Metallkunst-Erbe ist für die Familie Kühn derzeit aber eher Last als Lust.
Dringend sucht die Familie noch immer nach einem dauerhaften Berliner Ausstellungsort, an dem die naturalistische, aber auch sehr minimalistisch-abstrakte Metallkunst der deutschen Nachkriegsmoderne entsprechend gewürdigt wird. Berlin deshalb, weil Kühn hier in seiner Bohnsdorfer Schmiede lebte und arbeitete. Dieser Ort war bis vor kurzem gefunden, nun ist er wieder passé: Das Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner, das sich mit dem Nachlass von DDR-Architekten und Stadtplanern beschäftigt, hatte überlegt, das gesamte Oeuvre zu übernehmen.
Auch aus Platzgründen kommt das nun nicht zustande: »Wir sind ein Archiv. In unserer Satzung ist dies nicht verankert«, sagt der Historiker Kai Drewes. Es sei eher der Zuständigkeitsbereich der Museen, Musealien, Kunstwerke zu übernehmen. Doch das IRS will sich um den schriftlichen Nachlass kümmern: »Wir sind im Gespräch mit Familie Kühn. Es geht ja um immerhin zehn laufende Meter Aktenordner, um Entwürfe, Zeichnungen und Fotografien.«
Momentan ist das gesamte Werk in den Bohnsdorfer Garagen verstaut. Allein das schriftliche Werk umfasst zwölf Bücher und ihre Manuskripte, Briefwechsel, Pressestimmen, Skizzenbücher und Hunderte von Planzeichnungen. »Das muss alles in säurefreien Mappen und Kartons untergebracht werden.« Noch sei das Ganze aber nicht unter Dach und Fach. Es gebe noch keinen Vertrag, dafür aber weitere Planungen des IRS. So soll es auch eine virtuelle Zusammenführung geben: »Das heißt: Wir zeigen Bilder der Werke Fritz Kühns im Internet, denn viele seiner Metallkunstarbeiten sind in Innenräumen angebracht. Zum Glück gibt es immer noch genügend Arbeiten, die im Ensemble öffentlicher Räume zu sehen sind.«
Allein im Brandenburger Raum stehen 56 Werke von Fritz Kühn, in Potsdam, Frankfurt/Oder, Fürstenberg, Ludwigsfelde oder Wildau. Derzeit restaurieren Sohn Achim Kühn (73) und Enkelsohn Tobias zwölf Türen der Stadthalle in Chemnitz, bereits ein Werk Achim Kühns, der die Schmiede in der Richterstraße 1967 nach dem Tod des Vaters übernahm.
Es wird eng auf dem Grundstück in Bohnsdorf, denn auch Achim Kühn braucht Platz für seine Kunst. Tobias entwirft und baut als studierter Designer Gebrauchsgegenstände für die Wohnung. In der Schmiede entstehen unter anderem Kerzenleuchter, Tische und auch Skulpturen. Auch die zwölf Chemnitzer Doppeltüren wollen irgendwo gelagert sein. Der 41-jährige Sohn Tobias stellt sich eine projektbezogene Würdigung vor: »Ich habe Kontakt zum Märkischen Museum in Berlin aufgenommen. Dort könnten zum Beispiel Details des Brunnenbaus am Strausberger Platz mit Zeichnungen, Musterelement und Fotos zu sehen sein.« Das Interesse sei groß, aber die Kulturhauptstadt Berlin stellt bisher weder Platz noch Geld zur Verfügung. Der Brunnen auf dem Strausberger Platz müsste dringend restauriert werden. »Öffentliche Kunst, die für alle da war, war seine Strecke.«
Immerhin stehen die Metallarbeiten fast 50 Jahre unter freiem Himmel. Nun gibt es ein Angebot aus den USA, vom Metallmuseum Memphis. Man wolle den Schatz übernehmen, kostenlos. Im Raum stehen viele Fragezeichen. Das Werk wäre zerteilt. Die Familie zweifelt und hofft auf eine gute Wendung: »Wir bräuchten eine dauerhafte Ausstellungsfläche für das Metallwerk von 100 bis 200 Quadratmetern.« So viel Platz ist das nicht. Das könne auch in Brandenburg sein. Oder in Sachsen. »Wir pochen nicht auf den Standort Berlin, wenn es eine würdevolle Lösung gibt.«
Erst vor kurzem ist im Kunsthaus Dahlem eine Ausstellung über die deutsche Nachkriegsmoderne eröffnet worden. Fritz Kühn, der den Großteil seines Schaffens zwischen 1937 und 1967 hatte und 1969 im Pariser Louvre mit einer Retrospektive geehrt wurde, soll in einer kommenden temporären Ausstellung dort zu sehen sein.
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