Bomben zu Ramadan
Seit über drei Monaten bombardiert Saudi-Arabien Houthi-Rebellen im Jemen - doch fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit sterben dabei viele Zivilisten
Im März hat die von Saudi-Arabien geführte Kriegsallianz den jemenitischen Houthi-Rebellen den Krieg erklärt. Seitdem wird das bitterarme arabische Land permanent bombardiert. Getötet werden dabei nicht nur jene Rebellen, denen unterstellt wird, im Interesse des Irans zu agieren, sondern auch zahlreiche Zivilisten. Tausende von Jemeniten fanden mittlerweile im Bombenhagel den Tod. Schon im Mai sprach die Weltgesundheitsbehörde (WHO) von mindestens 1.250 Toten; gleichzeitig wurden zahlreiche historische Kulturstätten in Schutt und Asche gelegt. Eine Berichterstattung zum täglichen Massaker ist kaum vorhanden, vor allem nicht in westlichen Medien.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Hauptgrund ist die Tatsache, dass die saudische Bombenallianz von jenen Staaten dominiert wird, die weitestgehend als westliche Verbündete gelten – allen voran Saudi-Arabien, ein Staat, dessen Rechtssystem sich kaum von jenem des IS im Irak und in Syrien unterscheidet. Der Umgang des Westens mit der absolutistischen Monarchie ist jedoch ein gänzlich anderer. Während der IS für das Halsabschneiden bombardiert wird, werden die Saudis belohnt, zum Beispiel durch Waffen aus deutscher Produktion.
Darüber hinaus gibt es das Narrativ der iranischen Machtausweitung. Diesem zufolge versucht der Iran, nicht nur in Syrien und im Irak seinen Einfluss auszuweiten, sondern auch im Jemen. Diese Annahme stimmt nur bedingt mit der Realität überein. Im Irak und in Syrien mischt der Iran aktiv mit, indem er die Assad-Regierung unterstützt oder schiitisch-extremistische Milizen ausbildet und bewaffnet. Dafür muss er auch kritisiert werden. Im Jemen hingegen ist der iranische Einfluss zwar vorhanden, gleichwohl sehr begrenzt. Im Vergleich zu Saudi-Arabien hat der Iran nicht aktiv in den Konflikt eingegriffen, sprich, es sind weder iranische Militärs vor Ort präsent, noch hat Teheran irgendwelche Marktplätze oder Krankenhäuser bombardiert.
Dies geschah zum Beispiel am Montag, als ein Marktplatz im Osten des Landes in der Nähe der Stadt Aden angegriffen wurde. Bei dem Luftangriff wurden mindestens 45 Menschen getötet sowie 50 weitere verletzt, allesamt Zivilisten. Dass die saudischen Kampfpiloten nicht wissen können, dass es sich bei den meisten Menschen auf einem belebten Markt um Zivilisten handelt, die Einkäufe für ihr abendliches Fastenbrechen erledigen, ist wohl eher unglaubwürdig.
Ohnehin ist es bezeichnend, dass muslimische Staaten gemeinsam einen anderen muslimischen Staat, in diesem Fall einen der ärmsten überhaupt, sogar während des islamischen Fastenmonats Ramadan bombardieren. Genau vor einem Jahr, während des letzten Ramadans, wurde der Gaza-Streifen von Israel angegriffen. Der Aufschrei war damals groß, die Empörung allgegenwärtig. Nun fehlt davon jegliche Spur. Auch das Verhalten von Staaten wie der Türkei, die die Allianz unterstützen, macht die Heuchelei deutlich. So protestierte das Land vor Kurzem gegen die Diskriminierung von muslimischen Uiguren in China, denen von staatlicher Seite das Fasten im Ramadan verboten wurde. Glaubwürdig ist der Protest nicht, so nimmt man doch die Bombardierung von Muslimen im Jemen aufgrund machtpolitischer Interessen kaltblütig in Kauf.
Auch der von Saudi-Arabien herbeigeredete Zwist zwischen Sunniten und Schiiten, der gerne vom westlichen Mainstream aufgenommen wird, trifft im Gegensatz zu der Lage zu anderen arabischen Staaten im Jemen kaum zu. Dort ist der Übergang zwischen den beiden islamischen Konfessionen nahezu fließend ist. Umso problematischer wird es, wenn sich dieses Narrativ durchsetzt und die Jemeniten sich ähnlich wie die Menschen im Irak nur noch auf Basis ihrer konfessionellen Unterschiede identifizieren. In einem solchen Fall wäre der endgültige Staatszerfall vorhersehbar, sofern von diesem Staat nach den zahlreichen Bomben- und US-Drohnenangriffen überhaupt noch etwas übrig bleibt.
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