Griechenlands Banken bleiben weiter zu
Eurogruppe prüft neuen ESM-Antrag aus Athen / Tsipras-Rede im Europaparlament sorgt für Streit
Berlin. Die griechischen Banken bleiben mindestens zwei weitere Tage geschlossen. Den entsprechenden Ministerialerlass habe der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas am Mittwoch unterzeichnet, berichtete das Staatsradio (ERT). Theoretisch könnten die Banken damit frühestens am Montag wieder öffnen, in Athen rechnen Experten aber mit einer weiteren Schließung. Die geltenden Kapitalverkehrskontrollen waren Anfang voriger Woche in Kraft getreten und sollten ursprünglich am Mittwochabend auslaufen.
Mardas hatte am Morgen noch erklärt, »das Ziel ist, schrittweise alle Banken wieder zu öffnen, so dass die Lage sich normalisiert«. Pro Tag können die Griechen auch weiterhin höchstens 60 Euro von ihren Konten abheben, wie es im Bericht des Staatsradios hieß. Überweisungen ins Ausland sind nur nach einer Genehmigung der Zentralbank und des Finanzministeriums möglich.
Derweil ist ein neuer Antrag Griechenlands auf ein Kreditprogramm aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus eingegangen. »Der ESM hat die griechische Anfrage erhalten«, teilte ein Sprecher des Fonds in Luxemburg mit. Griechenlands Finanzminister Efklidis Tsakalotos kündigte an, zu sofortigen Steuer- und Rentenänderungen bereit zu sein, wenn es ESM-Gelder geben sollte.
Nach Angaben aus EU-Kreisen soll das dritte, nun ausschließlich europäische Programm für Athen über drei Jahre laufen. Ob es dazu kommt, soll bis zu einem Sondergipfel zu Griechenland am Sonntag entschieden werden. Eine zunächst geplante Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister fand am Mittwoch nicht statt.
Bis Donnerstagabend muss Athen zudem eine Liste mit umfangreichen Maßnahmen einreichen, die die Gläubiger im Gegenzug für die Kredite verlangen und zuvor prüfen wollen.
Die Lage des Landes bleibt derweil dramatisch. Mardas räumte ein, dass die Einschränkungen der Wirtschaft Probleme bereiten - was vor allem die Menschen zu spüren bekommen, die ohnehin in den vergangenen Jahren die Lasten der Krisenpolitik zu tragen hatten - mit Sozialkürzungen, Lohnschwund, sinkenden Renten, fehlender Krankenversicherung.
Bei einer Rede im Europaparlament warnte der griechische Premier Alexis Tsipras vor einer Spaltung Europas und kündigte zugleich an, Klientelismus und Privilegien in seinem Land anzugehen. »Griechenland wurde zum Versuchslabor der europäischen Sparpolitik«, kritisierte er in seiner Rede vor den Europaabgeordneten, die zu einer hitzigen Debatte in Straßburg führte.
Derweil nannte es der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Tom Koenigs, »ein Armutszeugnis« für die Griechenland-Politik der Bundesregierung, wenn jetzt über humanitäre Hilfe geredet werden müsse. Dafür, dass es überhaupt so weit gekommen sei, machte Koenigs die Politik der Gläubiger-Institutionen sowie die Große Koalition in Berlin mitverantwortlich. nd/Agenturen Seite 3
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