Hungern gegen Hartz IV
Ralph Boes ist aktuell einer der bekanntesten Aktivisten gegen Hartz IV. Selbstbewusst und wortgewandt tritt er seit zweieinhalb Jahren immer wieder in den Medien auf. Weil er damals entgegen der Anordnung des Jobcenters Berlin-Mitte keiner der angebotenen Erwerbstätigkeiten nachgehen wollte, stellte die Behörde sämtliche Zahlungen ein. Dagegen wehrte sich der Mittfünfziger, indem er einen Monat lang öffentlich hungerte, um zu zeigen, dass die Sanktionspraxis mit der Menschenwürde unvereinbar sei. »Bild« taufte ihn daraufhin »Hartz-IV-Schnösel«, der »Berliner Kurier« sah in ihm einen »Sozial-Schnorrer« und der »Focus« echauffierte sich über den »frechen Hartzer«.
Dennoch hatte Boes damals Erfolg: Ende November 2012 nahm das Jobcenter die Sanktion teilweise zurück und überwies ihm 200 Euro. Widerständig blieb er dennoch: »Ich habe weiterhin die Vermittlungsangebote abgelehnt und blieb in der Begründung bei der Unvereinbarkeit der Sanktionen mit der Menschenwürde.« Schon zehnmal sei er sanktioniert, davon achtmal auf Null gesetzt worden. Sein Ziel: Das Amt sollte seine repressiven Möglichkeiten an seinem Exempel konsequent durchziehen. Für Unterhalt und Krankenversicherung kamen Unterstützerinitiativen auf.
Damit ist es jetzt vorbei, denn Boes nimmt die nächste Eskalationsstufe. »Durch die Provokationen ist stark in die Öffentlichkeit gebracht worden, dass Hartz IV verfassungswidrig ist«, schreibt Boes auf seiner Homepage. Nun aber sei er »mit den Kräften am Ende«, weshalb er ein Ende der Sanktionen bewirken möchte. Seit zehn Tagen hungert Boes erneut. Er hofft, damit auch eine Debatte um die Sanktionspraxis initiieren zu können, durch die »alle Hartz-IV-Bezieher genötigt werden, sich bedingungslos jeder staatlichen Schikane zu fügen«.
Vier Kilo habe er bereits abgenommen. Nach eigenem Bekunden erreichen ihn aus diesem Grund immer wieder alarmierte Appelle, er solle seinen gesundheitsgefährdenden Hungerstreik beenden. Doch legt Boes großen Wert darauf, dass er sich nicht im Hungerstreik befindet, sondern im Sanktionshungern: »Man gibt mir nichts zu essen, um mich zu etwas zu zwingen. Ich hungere nicht - ich werde gehungert.«
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