Dieser Mann spaltet Europa

Schäuble sorgt mit Grexit-Papier für helle Empörung Frankreich und Italien stemmen sich gegen Berlin

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Konflikt um die Schulden Griechenlands und die Krisenpolitik spaltet Europa. Vor einem Gipfel der Euro-Staaten am Sonntagabend setze sich unter anderem Paris für eine Einigung mit Griechenland ein. »Frankreich wird alles machen, um heute Abend eine Vereinbarung zu finden«, sagte Staatschef François Hollande. Kanzlerin Merkel erklärte hingegen, eine »Einigung um jeden Preis« werde es beim Treffen in Brüssel nicht geben.

Dies war vor allem vor dem Hintergrund deutscher Pläne verstanden worden, denen zufolge die SYRIZA-geführte Regierung entweder noch drastischere Kürzungen umsetzen müsse, um milliardenschwere Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zu erhalten - oder aber zeitweise aus dem Euro ausscheiden soll. Ein entsprechendes Papier aus dem Bundesfinanzministerium hatte am Samstagabend die Debatte über die Schulden Griechenlands eskaliert.

Mit dem Papier dürfte Berlin nicht zuletzt versucht haben, den Druck auf die griechische Regierung abermals zu erhöhen. Es enthält neben der Grexit-Option auch sehr weitreichende Forderungen an die griechische Regierung. So müsse Athen nicht nur mehr Kürzungen umsetzen, um in den Genuss neuer Kredite zu kommen, mit denen im Wesentlichen alte Schulden getilgt werden dürften. Sondern die griechische Regierung solle auch öffentliche Vermögenswerte an einen Treuhandfonds übertragen - in Höhe von 50 Milliarden Euro. Diese sollen dann veräußert und die Einnahmen zur Schuldentilgung verwandt werden.

In der Eurogruppe stieß Berlins Vorstoß keineswegs auf ungeteilten Beifall. Neben Frankreich, Italien und Zypern positionierten sich auch andere Länder gegen die Berliner Linie. Kritik am Europa spaltenden Kurs der Bundesregierung kam auch von Italiens Premier Matteo Renzi: »Italien will keinen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro, und in Richtung Deutschland sage ich: Genug ist genug.« Nord- und osteuropäische Staaten stimmten hingegen der kompromisslosen Haltung Berlins zu, die Portugal und Spanien suchten offenbar, eine eher vermittelnde Rolle einzunehmen.

Auch innerhalb der SPD sorgte das Grexit-Papier von Schäuble für heftige Debatten. Zunächst hieß es, der Vorschlag sei mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel abgestimmt. Dies wiesen führende SPD-Vertreter vehement zurück, die Nachrichtenagentur dpa bestand aber auf ihrer Version. Diese wurde schließlich von Gabriel selbst bestätigt: Im Sozialen Netzwerk Facebook erklärte der SPD-Chef, der Vorschlag Schäubles sei »natürlich« der SPD bekannt.

Scharfe Kritik am Kurs der Regierung, vor allem aber an Schäuble kam von der Opposition. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, sprachen von einem »historischen Fehler« des Finanzministers und einem verfassungswidrigen Agieren. »Schäuble wird mit diesem Vorschlag zum Totengräber der Eurozone. Er muss gestoppt werden, das ist jetzt auch die Aufgabe der Bundeskanzlerin«, so Linken-Chef Bernd Riexinger.

Nach dem zweitägigen Treffen der Finanzminister der Eurozone berieten am späten Nachmittag die Staats- und Regierungschefs der Währungsunion. Es seien »noch immer eine Reihe von großen Fragen offen«, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Der finnische Finanzminister Alexander Stubb sagte, es liege »ein sehr guter Vorschlag auf dem Tisch«, der aber mit »weitreichenden Bedingungen« für neue Kredite von rund 74 Milliarden Euro an Griechenland versehen sei. So müsse das griechische Parlament bereits bis Mittwoch eine Reihe von Gesetzen beschließen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gab sich optimistisch: »Wir werden heute bis zur allerletzten Millisekunde an einer Lösung arbeiten. Und wir werden auch - wie ich hoffe - zu einer Lösung kommen.« vk

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