»Kampf der Wölfe«
Eindrücke aus Griechenland nach den Entscheidungen aus Brüssel
Athen. »Vor schwierigen Entscheidungen stehend und harten Zwickmühlen ausgesetzt haben wir die Verantwortung übernommen, um die Umsetzung der extremsten Vorstellungen der extremsten konservativen Kreise in der EU zu vereiteln«, erklärte der sichtlich erschöpfte griechische Ministerpräsident am Montagmorgen nach einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon der Regierungschefs der Eurozone. Vereinbart wurde ein neues Gläubigermemorandum, das Griechenland neue harte Einschnitte bei Einkommen und Kaufkraft derselben, sowie eine strikte Unterordnung unter die Aufsicht der Gläubiger auferlegt. Die geforderten Maßnahmen seien schwierig umzusetzen und trügen mit Sicherheit zu weiterer Rezession bei, gestand auch Alexis Tsipras ein. Mit dem eigenen »harten Kampf« habe man es aber geschafft, sagte Tsipras, eine Umschuldung zu erreichen. »Und eine mittelfristige Finanzierung zu sichern.« Dies und die ebenfalls zugesagten 35 Milliarden für den wirtschaftlichen Wiederaufbau würden aber bei den Märkten und Investoren »das Gefühl erzeugen, dass ein Grexit nun Vergangenheit ist.« Diese könne eine »Investitionswelle erzeugen, die die Rezessionstendenzen ausgleichen wird.« Gleichzeitig versprach der griechische Ministerpräsident die Lasten des neuen Abkommens gleichmäßiger zu verteilen und auch diejenigen zur Kasse zu bitten, die »es in der Vergangenheit geschafft haben, sich zu entziehen oder denen die Möglichkeit dazu von den vorherigen Regierungen gegeben wurde«.
Allerdings wird sich SYIRZA bei der Umsetzung der neuen Maßnahmen auf die Stimmen genau der Parteien stützen müssen, die diese Regierungen gebildet hatten. Bereits bei der Ausstellung des Verhandlungsmandats am Freitag war Tsipras auf die Stimmen von Nea Dimokratia, PASOK und der erstmalig im Parlament vertretenen Partei To Potami angewiesen gewesen. Denn aus der Regierungskoalition hatten neben den 13 Abgeordneten der ANEL nur 132 der 149 SYRIZA Parlamentarier für Tsipras gestimmt.
Die »Linke Plattform« in SYRIZA bezeichnete Montagmorgen dementsprechend auch die getroffene Vereinbarung als»erniedrigend für Griechenland und das griechische Volk«. Auf ihrem Internetportal Iskra.gr wurde angekündigt, »die Kräfte der radikalen Linken, die Lohnabhängigen, die Jugend, die betroffene gesellschaftliche Mehrheit« würden »den Kampf dafür fortsetzen, dass die neuen rezessiven und volksfeindlichen Maßnahmen nicht durchkommen«. Für die Linke Plattform gehört dabei der Austritt aus der Währungsunion dazu. Denn es habe sich gezeigt, dass es »im Kampf der Wölfe der Eurozone keinen Spielraum für eine unabhängige und eigenständige antirezessive und volksfreundliche Politik« gebe. Da der Linken Plattform mit Panagiotis Lafazanis (Energie, Umwelt und wirtschaftlicher Wiederaufbau) und Dimitris Stratoulis (Sozialversicherungswesen) auch zwei unmittelbar in die Umsetzung der Gläubigerforderungen involvierte Minister angehören, wird mit einer Regierungsumbildung in Griechenland bereits innerhalb der nächsten Tage gerechnet.
Erste Proteste auf der Straße sind in Athen bereits für Montagabend angekündigt. Einem über Facebook verbreiteten Aufruf zu einer Demonstration vor dem Parlament unter dem Motto »Wir verlassen DIESES Europa« haben sich laut Veranstalter weit über 20.000 Menschen angeschlossen.
In der Opposition sicherte man dem griechischen Ministerpräsidenten dagegen bereits Montagmittag Unterstützung zu. »Wir haben den Grexit vermieden, es gibt eine Vereinbarung«, twitterte die erst kürzlich ins Amt gewählte Vorsitzende der PASOK Fofi Gennimata und forderte die Regierung zu schnellem Handeln auf. »Griechenland hat Atem geholt, so dass es mit Ernsthaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein daran gehen kann, seinen Weg in Europa wieder zu finden«, erklärte auch nach dem Rücktritt von Antonis Samaras geschäftsführende Vorsitzende der Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis gegenüber der Presse. Gleichzeitig beschuldigte er die amtierende Regierung jedoch, das Land in eine Position gebracht zu haben, in der es die Wahl zwischen der Akzeptanz jedweden Memorandums und der vollständigen Katastrophe in Falle eines Grexit gehabt habe. Die Vereinbarung habe lange auf sich warten lassen, erklärte auch der Vorsitzende der Partei To Potami, Stavros Theodorakis. Zwar enthalte sie »schmerzhafte Reformen, die leider neue Opfer verlangen«, setzte der ehemalige Starjournalist hinzu. Diese müssten allerdings »diesmal planvoll, entschlossen und gerecht« angegangen werden.
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