Improvisierte Sicherheit

Innenministerium lobt Bundespolizei - Gewerkschaft warnt: unterbesetzt und überfordert

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte am Montag den Bundespolizei-Bericht für 2014 vor. Tendenz: Alles nicht einfach, aber die Bürger können sich sicher fühlen. Die GdP schüttelt den Kopf.

Thomas de Maizière dankte bei der Vorstellung des Jahresberichts allen Angehörigen der Bundespolizei »für die mitunter harte, aber dabei immer engagierte und hochprofessionelle Arbeit« und ließ dann den Präsidenten der Truppe, Dieter Romann, den Migrationsdruck auf Deutschland beklagen. 2014 habe man rund 57 000 unerlaubte Einreisen gezählt, im laufenden Jahr seien es bereits 59 000. Dann gab es noch ein paar Worte über Gefahren des internationalen Terrorismus und islamistische Gefährder.

Sicher alles richtig, sagt Jörg Radek. Er ist Chef der Bundespolizei-Vereinigung in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Dass de Maizière am Montag den 2014er Bericht über seine Kollegen vorstellen würde, hat Radek am Freitag zufällig erfahren, denn: »Nach wie vor pflegt das Ministerium den Dialog mit uns nicht allzu sehr.« Was im Bericht auch immer behauptet werde, ohne »das der Polizei offenbar genetisch zugeteilte Improvisationstalent sähe alles noch schlimmer aus. Wir verschieben Schwerpunkte, hoffen, dass unsere Aufgaben von anderen Behörden erledigt werden«, sagt Radek gegenüber »nd«. Dieser Tage musste das Innenministerium in der Antwort auf eine Anfrage des Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Jan Korte einräumen, dass die vorgeschriebenen Kontrollen an Flughäfen nicht in ausreichendem Umfang erfolgt. Entsprechende Warnungen gibt es seit Jahren. Im Mai hat die EU-Kommission Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt und verlangt, dass das Sicherheitspersonal auf Flughäfen besser überprüft wird.

Die GdP sieht sich in ihren Forderungen bestärkt und auch Korte verlangt mehr Personal. Wie Radek spricht er sich dafür aus, die Privatisierungspolitik bei den Luftsicherheitskontrollen rückgängig zu machen. »Die potenziell hohen Sicherheitsrisiken sind spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 jedem bekannt«, sagt der Gewerkschaftsmann und weist auf eine durch hohe Fluktuation, mangelhafte Ausbildung und niedrige Bezahlung gekennzeichnete Situation der privaten Sicherheitsfirmen hin. Die GdP schlägt daher den Aufbau einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vor, die deren Aufgaben unter Kontrolle der Bundespolizei übernimmt. Zudem will die GdP einen eigenen Ausbildungsberuf für in der Luftsicherheit eingesetzte Personen. Das alles müsse man auch vor dem Hintergrund wachsender Passagierzahlen sehen, sagen Sicherheitsfachleute. Nicht nur auf dem völlig überlasteten Hauptstadtflugplatz Tegel grenze es an ein Wunder, dass überhaupt noch etwas geht.

Dem Widerspruch zwischen komfortablem Service und der Herstellung von Sicherheit ist auch durch den vermehrten Einsatz moderner Technik nicht zu begegnen. So wurden bislang im Verantwortungsbereich der Bundespolizei deutschlandweit 77 sogenannte Körperscanner eingeführt. Für zusätzliche fünf Millionen Euro sollen weitere 23 noch dieses Jahr hinzu kommen. Vor fünf Jahren bereits gab es einen Erprobungsbetrieb der Geräte. Das Ergebnis: Die Geräte waren untauglich. Über die Hälfte der Alarme wurde von Taschentüchern und Schweißflecken verursacht oder war schlicht unerklärbar. Seitdem gebe es lediglich Beteuerungen, die Geräte seien verbessert worden. Belegen kann die Bundesregierung das nicht, moniert der Innenexperte Korte.

Nicht nur auf Flughäfen fehlt es an Bundespolizisten. Insgesamt sind 3400 Stellen nicht besetzt. Die Einstellungen gleichen gerade die durch Ruhestand entstehenden Lücken aus. Dabei hat die Bundespolizei zahlreiche neue Aufgaben übertragen bekommen. Die Inspektion »Goldbarren« zur Bewachung der Bundesbank ist dabei eine kleine Aufgabe. Die Zunahme der Asylbewerberzahlen, über die der Minister sprach, stellen andere Anforderungen. Seit Monaten schon schaffen es die Beamten nicht mehr, Fingerabdrücke von allen Personen zu speichern, die in der Grenzregion zwischen Österreich und Bayern bei der illegalen Einreise aufgegriffen werden. Diese Praxis gehe auf eine mündliche Weisung des Bundespolizeipräsidiums in Potsdam zurück. Radek schätzt, dass seit Anfang des Jahres »rund 45 000 unerlaubt eingereiste Personen nicht mehr erkennungsdienstlich behandelt worden sind - obwohl dies im Asylverfahrensgesetz vorgeschrieben ist«.

Wenn neue Schwerpunkte auftreten, holt man normalerweise Kollegen aus Bundespolizei-Bereitschaften. Doch diese traditionelle Reserve sei ausgereizt. Auf dem Papier stünden 27 Hundertschaften, es existierten jedoch nur zwölf, rechnet die GdP vor. Schon lange hat man die Begleitung von gewalttätigen Fußballfans auf ein Mindestmaß zurückgefahren.

Bleibt die Umschichtung zwischen einzelnen Dienststellen. Das ist geschehen - nun hat man bei der Bahnpolizei beispielsweise in Aachen oder Dortmund nur noch 62 Prozent der Soll-Stärke aufzubieten. »Mehr als die Abarbeitung des Tagesgeschäfts ist da nicht drin.«

Wie man dem Bürger da das von de Maizière am Montag abermals versprochene Mehr an Sicherheit bieten soll, bleibt ein Rätsel. Nicht nur für den Bundespolizisten Jörg Radek.

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