Senatsbericht zu NSU-Skandal überfällig
Innensenator Henkel (CDU) will erst im August liefern / Grüne »befremdet« über Umgang mit Parlamentsbeschlüssen
Innensenator Frank Henkel (CDU) ist mit einem Bericht zu Schlussfolgerungen aus dem Ermittlungsskandal um die Neonazi-Terrorgruppe NSU überfällig. Der Bericht zur Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses sollte dem Abgeordnetenhaus eigentlich bis zum 30. Juni vorliegen. Nun soll er bis August fertig sein. Die Senatsinnenverwaltung bat um Fristverlängerung wegen des wichtigen Themas und der umfassenden Bearbeitung. Die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann kritisierte die Überziehung des Termins.
Der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag zu der rechtsextremen Mordserie hatte Reformen angemahnt, um ähnliche Taten und die folgenden Ermittlungsfehler von Polizei und Justiz zu verhindern. Die fünf Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus forderten daraufhin im März 2014 vom Senat, die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit umfangreichen Maßnahmen zu verbessern. Das Landesparlament beschloss den Antrag im Juni 2014. Darin heißt es:
- Polizei und Justiz müssen offener sein für verschiedene Ermittlungsrichtungen
- rechtsextreme Taten müssen besser analysiert und erfasst werden
- die Polizei muss besser mit Menschen ausländischer Herkunft kommunizieren und insbesondere mit Opfern und Zeugen verständnisvoller und offener sprechen
- die Gefahren von Neonazis und Rechtsextremismus müssen in der Polizeiausbildung gründlich thematisiert werden
- Polizei und Justiz müssen regelmäßig eigene Ermittlungen überprüfen, um Fehler und Versäumnisse aufzudecken.
Im September 2014 hatte die Polizei einen 44-seitigen Zwischenbericht vorgestellt und eine Reihe von Änderungen als Folge der NSU-Affäre aufgelistet. Unter anderem ging es um eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Justiz und den Geheimdiensten, die genauere Erfassung der Motive von rechtsextremen Tätern, Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz, die Einstellung junger Migranten sowie die intensive Zusammenarbeit mit Opferschutzstellen.
Innensenator Henkel und Polizeipräsident Klaus Kandt sprachen damals von dauerhaften Verbesserungen, die teilweise schon auf den Weg gebracht worden seien. Die Opposition kritisierte, Beweise für ein tatsächlich verändertes Denken sei die Berliner Polizei bisher schuldig geblieben.
Nun hieß es von der Innenverwaltung, das Thema habe eine »außerordentlich hohe Bedeutung«. Deshalb habe der Senat »den Anspruch, den Berichtsauftrag sorgfältig, detailliert und umfassend zu bearbeiten, woraus sich der anhaltende Zeitaufwand ergibt«.
Die Grünen-Fraktion schrieb in einem Brief an Henkel, der Umgang mit parlamentarischen Beschlüssen habe »großes Befremden« ausgelöst, auch weil kein Datum der Fertigstellung mitgeteilt worden sei. Die Grünen gingen nun davon aus, dass der Bericht in den nächsten drei Monaten fertig wird. dpa
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