Euroländer sollen sich auf Brückenfinanzierung geeinigt haben
Schäuble bleibt bei seiner Grexit-Drohung und schlägt Lösung mit Schuldscheinen vor / Grüner Giegold spricht vom nächsten Rausschmiss-Versuch »durch die Hintertür«
Update 13.44 Uhr: SPD kritisiert »Grexit«-Debatte: Unanständiges Spiel
Die SPD hat die anhaltende Debatte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone kritisiert. »Das ist langsam ein sehr unanständiges Spiel, das er da treibt«, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Johannes Kahrs, am Donnerstag in Berlin.
Vor Beratungen des Haushaltsausschusses zu möglichen Verhandlungen über das geplante dritte Kreditpaket verwies Kahrs darauf, dass der Griechenland-Kompromiss von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgehandelt worden sei. »Und heute noch über den «Grexit» zu sprechen (...), verstört schon etwas.« Das müssten nun aber Merkel und Schäuble untereinander klären.
Update 13.05 Uhr: Kreise: Einigung bei Streit um Brückenfinanzierung für Athen
Die Länder der Eurozone haben nach informierten Kreisen eine Einigung auf eine sieben Milliarden Euro schwere Brückenfinanzierung für Griechenland erzielen können. Am Freitag soll es dazu nähere Angaben geben, sobald die technischen Details geklärt seien und die nationalen Parlamente über das aktuelle Hilfspaket abgestimmt hätten, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag mit Bezug auf einen EU-Vertreter.
Der Überbrückungskredit solle aus dem EFSM-Rettungstopf kommen, hieß es. Der EU-Rettungsfonds EFSM war am Anfang der Eurokrise eingesetzt worden und ist eine Einrichtung aller 28 EU-Staaten. Offen bleibt bislang die Frage, wie die Brückenfinanzierung durchgeführt werden kann, ohne dass diejenigen EU-Länder, die nicht zur Eurozone
Update 9.20 Uhr: Schäuble hält den Grexit-Druck hoch
Auch nach der Zustimmung des griechischen Parlaments zu dem ersten Paket mit den umstrittenen Auflagen der Gläubiger bleibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei seinem Vorschlag, Griechenland solle vorübergehend aus dem Euro ausscheiden. Sehr viele Ökonomen, auch in Griechenland, bezweifelten, dass die Probleme ohne einen echten Schuldenschnitt gelöst werden könnten, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Deutschlandfunk. »Doch ist ein wirklicher Schuldenschnitt mit einer Mitgliedschaft in der Währungsunion unvereinbar.« Ein freiwilliges Ausscheiden »wäre für Griechenland der bessere Weg«, sagte er. Zu der heftigen Kritik an Deutschlands Rolle im Schuldenstreit sagte der Minister, es gehe nicht darum, Griechenland »etwas aufzuerlegen«, sondern dabei zu helfen, dass sich die Griechen »irgendwann« den Lebensstandard leisten könnten, den sie sich leisten wollten. Dies setze Maßnahmen voraus, die Schäuble »Reformen« nennt und die das Ziel haben sollen die griechische Wirtschaft »wettbewerbsfähig« zu machen.
Setzt Berlin auf den Grexit durch die Hintertür?
Berlin. Die griechische Regierung steht unter dem politischen Druck der Gläubiger - und unter dem finanziellen einer nahenden Pleite. Während im Parlament in Athen in der Nacht zum Donnerstag über das erste umstrittene Paket mit den Auflagen abgestimmt wurde, dass zur Bedingung für Gespräche über Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus gemacht wurde, rücken die Termine für milliardenschwere Zahlungsverpflichtungen immer näher, Gehälter müssen bezahlt werden.
So wird am kommenden Montag einschließlich Zinsen eine Rate von 4,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank fällig. Am Donnerstagvormittag beraten die Euro-Finanzminister deshalb über eine Brückenfinanzierung für Griechenland bis zum Inkrafttreten des neuen ESM-Programms - denn bis zur ersten möglichen Auszahlung ist es noch weit.
Bereits in den vergangenen Tagen war über die Varianten einer solchen Brückenfinanzierung zwischen den Euro-Ländern gestritten worden. Diskutiert werden etwa bilaterale Kredite und der Einsatz von Zinsgewinnen, die von der EZB und nationalen Notenbanken mit griechischen Staatsanleihen erzielt wurden. Als problematisch gilt die Verschiebung des Zahlungstermins bei der EZB oder die Streckung von Kreditlaufzeiten auch beim IWF, wo Athen schon seit Ende Juni in Zahlungsverzug ist.
Die Bundesregierung stellte sich erneut an die Spitze derer, die der SYRIZA-geführten Regierung nicht entgegenkommen wollen. »Das ist in erster Linie Sache Griechenlands«, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel mit Blick auf die Brückenfinanzierung. Nach Angaben aus Regierungskreisen hat er die Ausgabe von Schuldscheinen für Zahlungsverpflichtungen im Inland vorgeschlagen. Das »Handelsblatt« hatte bereits am Dienstag darüber berichtet. Athen könnte mit den sogenannten IOU-Papieren (von »I owe you« - »Ich schulde Ihnen«) beispielsweise Renten, Rechnungen und Gehälter zahlen. Mit dadurch gesparten Euro würden dann Auslandsschulden beglichen.
Eine solche Lösung könnte nach Meinung von Experten aber eine Dynamik in Richtung Grexit auslösen. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold warf Schäuble vor, damit eine »Parallelwährung« einführen zu wollen. Dies sei eine »Grexit-Vorbereitung durch die Hintertür«, schrieb Giegold auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Schäuble hatte bereits mit der Drohung eines vorübergehenden Rauswurfs Griechenlands aus der Eurozone den politischen Druck vor dem Eurogipfel am Wochenende so weit erhöht, dass sich Athen praktisch nur noch imstande sah, sich den umstrittenen Gläubiger-Auflagen zu unterwerfen, weil sonst unabsehbare Entwicklungen für Griechenland drohten. Ein Sprecher Schäubles wies am Mittwoch Vorwürfe zurück, dass Schäuble damit eine Art »Mini-Grexit« vorbereite.
EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sieht eine kurzfristige, sieben Milliarden Euro umfassende Lösung für Griechenland am ehesten jedoch in einer Zahlung aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM. »Der Einsatz des EFSM ist keine einfache Lösung, aber bessere oder einfachere Lösungen gibt es im Augenblick einfach nicht.« Der EFSM war 2010 als vorübergehende Euro-Schutzschirm eingerichtet worden und ist eine Einrichtung aller 28 EU-Staaten.
Länder wie Großbritannien, Schweden und Tschechien haben allerdings schon Bedenken gegen die Verwendung des EFSM für Griechenland geäußert. »Einige Staaten machen sich große Sorgen«, sagte der EU-Vizekommissionschef. »Wir arbeiten deshalb an Möglichkeiten, die Nicht-Euro-Mitglieder vor negativen Folgen zu schützen, falls der EFSM-Kredit nicht zurückgezahlt wird.« Denkbar seien etwa Garantien für das Darlehen. Die Verhandlungen über solche Zusagen liefen derzeit noch.
Der EU-Kommissionsvize zeigte sich trotz der Diskussionen zuversichtlich, dass Athen seinen Finanzbedarf von 12 Milliarden Euro bis August decken kann. Ob ein weiterer Überbrückungskredit nötig werde, hänge davon ab, wie schnell das neue ESM-Kreditpaket stehe. »Es ist ganz sicher, dass es eine Brückenfinanzierung für den gesamten Betrag geben wird und dass Griechenland (...) seine Außenstände an den IWF (Internationalen Währungsfonds) zurückzahlen kann«, sagte Dombrovskis. Die Rückzahlung ist Voraussetzung dafür, dass sich der IWF an dem dritten Kreditpaket beteiligt. Agenturen/nd
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