Bündnis ja - Allianz nein!

Der Schlängelkurs des Recep Tayyip Erdogan

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Türkei hat eine 352 Kilometer lange Grenze zu Irak. Die zu Syrien misst 822 Kilometer. Somit ist die Türkei also ein Staat an der Front, kein Frontstaat. Absurd?

Als NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Oktober vergangenen Jahres in Ankara war, warnte er die in Irak und Syrien kämpfenden Terrormilizen vor einem Einmarsch in die Türkei, denn »es sollte keinen Zweifel geben, dass die NATO ihre Verbündeten gegen jede Bedrohung verteidigen wird«. Aus diesem Grunde sind auch drei »Patriot«-Staffeln aus den USA, Deutschland und Spanien nahe der syrischen Grenze stationiert. Pure Symbolik, denn militärisch machen die Flugabwehrraketen nicht den geringsten Sinn. Ursprünglich waren sie zum Schutz des NATO-Luftwaffenstützpunktes Incirlik aufgestellt worden, als die USA und damit die NATO noch überlegten, Bombenflugzeuge gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad auszuschicken. Damals debattierte man über eine Rote Linie, die Damaskus wegen der ihm zugeschriebenen Chemiewaffen-Attacken überschritten habe. Inzwischen sind ganz andere Akteure zur Gefahr auch für den Westen geworden. Allen voran der Islamische Staat (IS).

Jetzt werden gegen ihn Bomber geschickt. Vor allem von den USA. Die Kampfjets starten zumeist vom US-Flugzeugträger »Theodore Roosevelt«. Der ist im Persischen Golf unterwegs. Über 5200 Einsätze sind von dort seit August vergangenen Jahres geflogen worden. Nicht sehr effektiv, was unter anderem an der langen Flugzeit liegt. Von Incirlik wäre man schneller an den sich rasch verschiebenden Brennpunkten. Doch die Türkei nimmt zwar gern die Solidaritätsbekräftigung der NATO entgegen, obwohl niemand im Bündnis glaubt, dass der IS in absehbarer Zeit massiv die Grenzen zur Türkei überschreiten will. In die Allianz zur IS-Bekämpfung lässt Ankara sich dennoch nicht locken. Zu groß ist die Sorge, dass der IS und andere Milizen ihre Terrorzellen aktivieren könnten, um die Türkei von innen heraus zu destabilisieren. Man erinnert an den verheerenden Anschlag von Reyhanli im Frühjahr 2013. Offiziell beschuldigte die türkische Regierung damals einen Assad-Geheimdienst die 51 Menschen ermordet zu haben. Doch dass die Autobomben von der Al-Nusra-Front gezündet wurden, ist ziemlich sicher. Gerade mit dieser Al Qaida nahen Bande hatte Ankara so ungeniert gekuschelt, dass es selbst geübten NATO-Beamten schwer fiel, dazu zu schweigen. Der jüngste Anschlag im Garten eines Kulturzentrums von Suruc galt Anhängern einer sozialistischen Jugendorganisation und rührt daher den Cheftürken Recep Tayyip Erdogan gewiss nicht zu Tränen. Doch wird er ihn sicherlich in seiner nach außen gezeigten Neutralität bestärken. Was - wie seit Jahren schon - nebenher an »kleinen Gefälligkeiten« über die Grenzen aus der Türkei zu verschiedenen Islamisten gelangt, muss davon ja nicht betroffen sein.

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