Land braucht 8216 Polizisten

Lenkungsausschuss errechnete den Stellenbedarf - Quereinsteiger notwendig

  • Wilfried Neiße und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Statt 300 und mehr Stellen bei der Polizei zu streichen, soll das Land 100 Stellen zusätzlich schaffen. Zu diesem Ergebnis kam das Innenministerium, in Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft der Polizei.

Erwartungsgemäß hat eine Nachkontrolle der Polizeireform ergeben, dass Brandenburg nicht weniger, sondern mehr Polizeibeamte benötigt. Statt der zuletzt vorgesehenen 7800 Stellen müssen es 8216 sein, gab Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Mittwoch bekannt.

Grundsätzlich habe sich die mit der Polizeireform gefundene Struktur »bewährt«, sagte Herbert Trimbach. Er leitete den Lenkungsausschuss, dessen Aufgabe es war, die Polizeireform zu evaluieren. Dabei wurde durchgerechnet, wie viele Stellen denn nun wirklich benötigt werden, damit die Polizei ihre Aufgaben erfüllen kann und die Bürger sich sicher fühlen dürfen. So ging man bisher davon aus, dass statistisch 6,5 Beamte notwendig sind, um einen Streifenwagen rund um die Uhr mit zwei Kollegen besetzen zu können. Angesichts des Krankenstands wurde nun aber mit der Zahl 7 operiert.

Im Lenkungsausschuss mit am Tisch saßen die Gewerkschaft der Polizei, die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund deutscher Kriminalbeamter sowie der Personalrat. Dass Brandenburg im Jahr 2020 mit nur noch 7000 Polizisten auskommen könnte, wie man im Jahr 2009 dachte, glaubt nun niemand mehr. Einstmals hatte Brandenburg 8900 Polizisten.

Zu den jetzt errechneten 8216 Stellen kommen noch 80 Polizisten, die nach der Eröffnung des neuen Großflughafens BER in Schönefeld benötigt werden. Derzeit verfügt Brandenburg über knapp 8100 Polizisten. »Wenn wir die Sicherheit im Land Brandenburg gewährleisten sollen, brauchen wir mehr«, unterstrich Trimbach. Die vier Hundertschaften der Bereitschaftspolizei müssten ihm zufolge erhalten und ausgebaut werden, der Revierdienst sei mit 549 statt 518 Stellen auszustatten.

Das alles ist eine große Herausforderung, weil die Fachhochschule der Polizei in Oranienburg noch nicht darauf eingerichtet ist, kurz- und mittelfristig so viele Polizisten auszubilden, wie gebraucht werden, um den errechneten Bedarf zu befriedigen. 125 Absolventen wird es im laufenden Jahr geben, 175 im kommenden. Erst in den Jahren ab 2017 werden es 300 sein. Gleichzeitig treten in den kommenden zehn Jahren sehr viele Polizisten in den Ruhestand. Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke verwies darauf, dass es Kollegen gebe, die nach ihrer Pensionierung mit 62 Jahren noch etwas länger arbeiten wollen.

Das hängt damit zusammen, dass diese älteren Kollegen nicht nur Pensionsansprüche haben, sondern für ihre Zeit als DDR-Volkspolizisten auch eine Rente beziehen werden, dies allerdings erst mit 65 oder 66 Jahren. Die Pension für die Jahre als Beamter in der Bundesrepublik genügt diesen Menschen nicht. Darum möchten sie gern länger arbeiten. Das Innenministerium ist interessiert, möchte beispielsweise die hervorragend ausgebildeten Kriminalisten gern weiter beschäftigen, die in der DDR im Gegensatz zu den heutigen Verhältnissen ein spezielles Hochschulstudium absolvierten.

Beabsichtigt ist auch, Feldjäger nach Ende ihrer acht oder zwölf Jahre währenden Dienstzeit bei der Bundeswehr als Polizisten anzuwerben. Sie haben bei der Armee schon eine polizeiähnliche Ausbildung genossen und müssen nur nachqualifiziert werden. Sie müssen etwa mit dem brandenburgischen Polizeigesetz vertraut gemacht werden. 25 ehemalige Feldjäger sollen bereits im laufenden Jahr eingestellt werden. Außerdem ist daran gedacht, dass bestimmte Stellen im Polizeidienst nicht zwingend von Polizisten besetzt werden müssen, dass dort sogar besser Chemiker oder Computerspezialisten sitzen.

Die straffe Reduzierung der Stellen wurde 2009 in den Koalitionsvertrag von SPD und LINKE hineingeschrieben, damit das Land Personalkosten spart und angesichts sinkender Einnahmen handlungsfähig bleibt. Ausdrücklich erklärte Minister Schröter, dass sich aber mehrere Annahmen aus dieser Zeit nicht bewahrheitet haben. So ist zwar die Einwohnerzahl gesunken. Nicht in dem Maße wie erwartet zurückgegangen ist aber die Kriminalität. Man hatte gedacht, es würde zehn Prozent weniger Straftaten geben. Auch die politisch motivierte Kriminalität hat sich nicht vermindert, sie hat im Gegenteil massiv zugenommen.

Eine Polizistenstelle schlägt mit etwa 45 000 Euro im Jahr zu Buche. Gemessen an den einst geplanten 7000 Stellen bedeuten 8216 Stellen eine jährliche Mehrbelastung von mehr als 58 Millionen Euro. Allerdings ging das Finanzministerium früher auch davon aus, dass in Zukunft nur noch acht Milliarden Euro im Jahr für Ausgaben des Landes zur Verfügung stehen werden. Neuesten Annahmen gehen jedoch von zehn Milliarden aus. Schröter begründete die Nachforderungen, die erst einmal durch das Parlament müssen, auch mit »brandenburgischen Spezifika«. Mit einem beliebigen Flächenland sei Brandenburg nicht zu vergleichen, da es in seiner Mitte die Metropole Berlin habe. Dies führt zu vermehrten Einbrüchen im Umland. Auch das Wohlstandsgefälle an der polnischen Grenze ist nach Ansicht von Schröter zu berücksichtigen.

Für den Landtagsabgeordneten Björn Lakenmacher (CDU) belegt der Evaluationsbericht, dass die Polizeireform »ein kapitaler Schuss in den Ofen« war. Dass der Innenminister endlich einlenkt, sei zwar zu begrüßen. Die Korrektur des radikalen Schrumpfkurses werde aber Jahre in Anspruch nehmen. Es sei zu befürchten, dass die Zahl der Polizisten zwischenzeitlich unter 7600 sinke.

Die Abgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) erkannte, immerhin verabschiede sich das Innenministerium von seiner Grundannahme, dass die Kriminalität demografisch bedingt zurückgehe.

Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) sagte, für seine Partei komme das Ergebnis der Evaluierung nicht überraschend. »Die öffentliche Sicherheit ist nur mit einer bedarfsgerechten Personalausstattung der Polizei zu gewährleisten«, betonte der Abgeordnete. »Unsere Position war es immer, dass dies eine deutliche Veränderung der Zielzahl mit sich bringen wird.« Scharfenberg versprach, sich persönlich dafür einzusetzen, »dass die Empfehlungen aus dem Bericht umgesetzt werden«. Seite 11

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