Solo für Seehofer
SPD-Generalin Fahimi schließt Bundesmittel für Bayerns Betreuungsgeld aus
Auch nach dem Paukenschlag aus Karlsruhe ist der Streit um das Betreuungsgeld nicht beendet. Noch einmal zuspitzen könnte er sich in Bayern, das bereits kurz nach dem Urteil der Verfassungsrichter am Dienstag angekündigt hatte, die Leistung dennoch weiterhin zahlen zu wollen: Dort «prüft» die SPD, wie es in einer Mitteilung heißt, mit «anderen Parteien, Verbänden, Institutionen und den Kirchen», ob die umstrittene Sozialleistung durch ein Volksbegehren zu stoppen sei. Das Betreuungsgeld sei ein «Holzweg».
Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen in Bayern mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten einer Initiative für den Landtag zustimmen. Lehnt dieser ein erfolgreiches Begehren ab, erfolgt ein Volksentscheid, bei dem eine einfache Mehrheit ausreicht. Ein Mindestquorum von 25 Prozent ist nur bei Initiativen notwendig, die eine Verfassungsänderung beinhalten. In den vergangenen 20 Jahren hatten drei Volksentscheide Erfolg, zuletzt 2010 die Initiative für einen effektiveren Nichtraucherschutz. 2013 stimmte der Landtag einem Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren zu, das 14,3 Prozent der Stimmberechtigten unterstützt hatten.
Die Höchstrichter hatten am Dienstag befunden, dass ein Betreuungsgeld aus Bundesmitteln verfassungswidrig sei, weil es nicht zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse in den Bundesländern beitrage und daher nicht in die Zuständigkeit des Bundes falle. Demnach ist die Leistung nun den Ländern freigestellt. In der Berliner Koalition könnte nun ein Streit darüber anstehen, ob Länder, die sich für das Betreuungsgeld entscheiden, die Mittel dazu vom Bund erhalten können.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) fordert, die vom Land für die Leistung ausgereichten Mittel müssten vom Bund erstattet werden. Regierungssprecherin Christiane Wirtz sagte am Mittwoch, es sei noch offen, ob nun frei werdende Mittel «den Ländern zur Verfügung gestellt» würden «oder irgendwelchen Ressorts». Dies werde im September «im politischen Prozess» entschieden. CDU-Generalsekretär Peter Tauber ließ gegenüber der «Wirtschaftswoche» Sympathien für das Betreuungsgeld, aber keine Präferenz für eine Erstattung durch den Bund erkennen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi lehnte das deutlich ab: Wenn Bayern am Betreuungsgeld festhalten will, was sein gutes Recht ist, muss es diese Leistung aus Landesmitteln finanzieren«, sagte sie der »Passauer Neuen Presse«.
Ob neben Bayern auch andere Länder die Leistung weiterhin anbieten, ist offen. Ausschließen lässt sich das wohl in Ländern, in denen Grüne oder Linkspartei die Regierung stellen; auch unter SPD-Regierungen ist eine Fortzahlung aufgrund parteipolitischer Festlegungen unwahrscheinlich:
Ob und welche der vier CDU-Regierungschefs für das Betreuungsgeld einen Koalitionskrach riskieren, ist wohl auch von der Frage nach Bundesmitteln abhängig. Die Saar-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die noch 2012 als Kritikerin gegolten hatte, spricht sich für »Wahlfreiheit« aus. Hessens Volker Bouffier wetterte erst vor wenigen Wochen gegen eine »ideologische Verhetzung des Betreuungsgeldes«. Auch Sachsens Stanislaw Tillich gilt nicht als Gegner der Leistung. Reiner Haseloff zeigte sich nach dem Urteil leidenschaftslos: Er erwarte »keine gravierenden Auswirkungen« für Sachsen-Anhalt. Kommentar Seite 4
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