Brüssel lobt, wenn Athen gehorcht
Griechisches Parlament beschließt erneut Paket mit Gläubiger-Auflagen / Bosbach gibt Ausschussvorsitz ab
Solche Töne hat man aus Brüssel zuletzt nicht gehört: Griechenland habe »einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Umsetzung seiner Verpflichtungen« gemacht, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstag. Mehr noch: Athen setze Zusagen in einer »zeitgerechten und überaus zufriedenstellenden Art« um.
Der Grund für das verbale Wohlwollen: Tief in der Nacht hatte das griechische Parlament ein zweites, von den Gläubigern zur Bedingung für Gespräche über ein drittes Kreditprogramm gemachtes Gesetzespaket beschlossen. Nun, hieß es in Brüssel, könnten die auf mehrere Wochen angelegten Gespräche über Gelder aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus rasch beginnen. In den Verhandlungen werde man dann ein so genanntes Memorandum vereinbaren.
Das Wort »Memorandum« hat in Griechenland aus guten Gründen einen schlechten Klang - die Bevölkerung verbindet damit sozial ungerechte und wirtschaftlich schädliche Auflagen. Und das für Kredite, mit denen vor allem alte Schulden bezahlt werden sollen. Die Linkspartei SYRIZA war nicht zuletzt im Widerstand dagegen gewachsen.
Nun brauchte Premier Alexis Tsipras erneut die konservative und liberale Opposition, um die Auflagen der Gläubiger zu erfüllen. 230 von 298 Abgeordneten stimmten für die Gesetzesvorhaben. 63 Parlamentarier votierten mit Nein, fünf enthielten sich. Erneut stellten sich über 30 SYRIZA-Abgeordnete nicht hinter ihren Regierungschef.
Der frühere Finanzminister Yanis Varoufakis, der in der vergangenen Woche gegen das erste Paket gestimmt hatte, votierte in der Nacht allerdings dafür. Er erklärte dies laut »Kathimerini« damit, dass er in der aktuellen Lage die SYRIZA-geführte Regierung unterstützen wolle. Sein Votum sei aber kein Ja zu den Vereinbarungen mit den Gläubigern. Diese hatte Varoufakis mehrfach scharf kritisiert, aber auch betont, nicht gegen Tsipras zu agieren, sondern gegen eine falsche Politik.
Die »Bild«-Zeitung wünscht sich offenbar etwas anderes. »Immer mehr Abgeordnete schlagen sich auf Varoufakis‘ Seite«, schrieb das Blatt in der Donnerstagsausgabe und spekulierte, Varoufakis wolle, »dass das Reform-Programm scheitert«, und könne dann »als Anführer eine neue Partei gründen«. Der Ex-Minister stimmte dann allerdings nicht so ab, wie das Boulevardblatt gehofft hatte.
Derweil will der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach wegen der seiner Meinung nach zu kompromissbereiten Griechenland-Politik der Bundesregierung seinen Posten als Vorsitzender des Innenausschusses niederlegen. »Diesen Weg kann und will ich nicht mitgehen«, sagte der 63-Jährige mit Blick auf den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel. Sein Bundestagsmandat will Bosbach behalten. In Berlin rief dies die Frage auf den Plan, was der Innenausschuss des Parlaments mit der Griechenland-Politik der Großen Koalition zu tun habe.
Der griechische Infrastrukturminister Christos Spirtzis hat unterdessen die geplante Privatisierung von 14 Flughäfen an die Frankfurter Fraport AG und die Copelouzos Group mit Kolonialpolitik verglichen. Gegenüber der ARD sagte er am Donnerstagabend, es passe »eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland«, wenn Athen »14 gewinnbringende Flughäfen verkaufen« solle und »die anderen 30 Flughäfen, die keinen Gewinn machen und subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat«. Seiten 2 und 6
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