SPD richtet sich's bei Merkel ein

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident: Regierungsbeteiligung als Wahlziel statt eigener Kanzlerkandidat / Widerspruch bei Sozialdemokraten / LINKE: Albig gibt Bundestagswahl 2017 verloren

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 13.55 Uhr: SPD-Linke Hilde Mattheis: Albig verhält sich unwürdig
Ein »für einen Sozialdemokraten unwürdiges Verhalten« wirft die SPD-Linke Hilde Mattheis dem schleswig-holsteinischen SPD-Ministerpräsidenten Torsten Albig vor. Die Vorsitzende des »Forums Demokratische Linke 21«, die SPD-Bundestagsabgeordnete Mattheis, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören: »Wer den Verzicht auf einen eigenen Kanzlerkandidaten erwägt, verabschiedet sich vom Charakter der SPD als linker Volkspartei.«

Update 12.00 Uhr: Mainzer Regierungschefin Dreyer widerspricht Albig
Äußerungen des Kieler Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD) zu den Aussichten seiner Partei bei der Bundestagswahl 2017 sind in der SPD Rheinland-Pfalz auf Unverständnis gestoßen. »Der Kollege ist für seine unkonventionellen Äußerungen bekannt«, sagte die Mainzer Regierungschefin Malu Dreyer am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. »Für mich ist klar, dass die SPD als große Volkspartei auch einen Kanzlerkandidaten stellt.«

Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte zu Albigs Einschätzung, dass die SPD gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2017 schwer gewinnen könne: »Es ist toll, dass viele Sozialdemokraten Angela Merkel für eine gute Kanzlerin halten - wie Torsten Albig. Aber die SPD soll sich aber keinen falschen Hoffnungen hingeben. Wenn Angela Merkel wieder antritt, dann für die CDU und nicht für die SPD.« Zugleich warnte Tauber die Union davor, die nächste Bundestagswahl bereits als Selbstläufer abzutun.

Update 11.25 Uhr: Albig vertritt Minderheitsmeinung in SPD
Mit seinem Lob für Kanzlerin Angela Merkel und seinen Zweifeln an den Siegchancen der SPD bei der Bundestagswahl 2017 stößt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig auf Widerspruch in den eigenen Reihen. »Bei aller Übereinstimmung, die wir sonst haben: In der Frage bin ich wirklich anderer Auffassung und die SPD insgesamt auch«, sagte der SPD-Bundesvize und Landesvorsitzende Ralf Stegner am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. »Wir müssen natürlich immer den Anspruch haben, die Regierung zu führen.«

Die Linkspartei in Schleswig-Holstein warf Albig auf dem Kurznachrichtendienst Twitter vor, die Bundestagswahl 2017 verloren zu geben. Stefan Liebich (LINKE), Mitglied im Bundestag, schrieb ebenfalls auf Twitter: »Ministerpräsident Albig hat recht: Seine SPD kann 2017 gegen Merkel auf einen eigenen Kanzlerkandidaten verzichten.«

SPD richtet sich's bei Merkel ein

Berlin. Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Torsten Albig hat angesichts der hohen Beliebtheitswerte von Kanzlerin Angela Merkel und der schlechten Umfragezahlen seiner Partei offen infrage gestellt, ob die SPD bei den Wahlen 2017 überhaupt einen Kanzlerkanidaten braucht. Er habe keinen Zweifel, dass Parteichef Sigmar Gabriel »das exzellent machen wird«, sagte Albig dem NDR. Er glaube aber auch, »es ist schwer gegen diese Bundeskanzlerin zu gewinnen«.

Wäre heute Wahl, »dann finde ich, wäre es eine absolute legitime Wahlaussage, dass eine Regierung, an der Sozialdemokraten beteiligt sind, eine bessere Regierung ist als eine, wo die CDU alleine regiert«, sagte Albig. Dafür brauche die SPD einen starken Kandidaten. »Ob da die Bezeichnung Kanzlerkandidat noch richtig ist, das werden wir sehen«, so der Ministerpräsident. »Er ist dann der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, und er sorgt dafür, wie wir das im Augenblick exzellent tun, dass sozialdemokratische Programmatik Gegenstand von vierjähriger Politik in Berlin ist, und dass wir nicht erleben, dass wir in der Opposition schöne Programme schreiben, die aber kein Mensch umsetzt.«

Albig erntete umgehend Widerspruch. SPD-Bundesvize Ralf Stegner teilte im Kurznachrichtendienst Twitter mit, er stimme mit Albig »in den meisten Fragen überein«, aber: »Was Kanzlerin Merkel angeht, gilt das nicht.« Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sönke Rix aus Eckernförde twitterte: »Merkel macht ihren Job als Kanzlerin nicht ausgezeichnet. Und es gäbe mit Sicherheit auch bessere Kanzlerinnen oder Kanzler!« und kurz darauf: »Torsten Albig ist ein ausgezeichneter Ministerpräsident - Angela Merkel aber keine ausgezeichnete Kanzlerin.«

SPD-Chef Gabriel hatte es am Wochenende im ZDF abgelehnt, zum jetzigen Zeitpunkt über die Frage einer Spitzenkandidatur 2017 zu reden. Für eine Festlegung, mit welchem Politiker oder welcher Politikerin die SPD in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen werde, sei es viel zu früh. Auf die Frage, ob er sich dafür selbst in Stellung bringe, entgegnete Gabriel, es seien noch nicht mal zwei Jahre der Legislaturperiode vergangen. »Da macht es doch keinen Sinn, jetzt eine Debatte über Kanzlerkandidaturen zu führen.«

Im Frühjahr hatte Gabriel allerdings selbst in interner Runde eingestanden, dass die SPD wohl längere Zeit nicht mehr den Bundeskanzler stellen wird. Bei einer Vorstandsklausur seiner Partei Anfang Februar im brandenburgischen Nauen habe er prognostiziert: »Zwischen Union, Grünen und Linkspartei bleibt uns nur ein Potenzial von 27 Prozent.« Deshalb könne es »sehr lange dauern, bis wir wieder den Kanzler stellen«. Agenturen/nd

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