Zschäpe zeigt ihre Anwälte an
Angeklagte im NSU-Prozess erstattet Anzeige wegen Verletzung der Schweigepflicht
Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe hat ihre drei ursprünglichen Verteidiger angezeigt. Nach den Worten eines Sprechers der Staatsanwaltschaft München I ging die Anzeige am Freitag bei der Behörde ein, er bestätigte einen entsprechenden Bericht der Onlineausgabe der »Bild«-Zeitung. Der Vorwurf lautet dem Sprecher zufolge auf Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht durch die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm.
Die Anzeige werde nun geprüft, sagte der Sprecher. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen sei, sei noch offen. Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München hatte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Montag über Gespräche mit den drei ursprünglichen Zschäpe-Verteidigern berichtet. Nach Angaben ihres neu hinzugezogenen vierten Pflichtverteidigers wusste Zschäpe aber nichts von diesen Gesprächen.
Bereits am 20. Juli hatte Wolfgang Heer auch namens seiner Kollegen um die »Aufhebung der Bestellung« als Pflichtverteidiger gebeten. Grund: Eine optimale Verteidigung sei nicht mehr gewährleistet. Mehr wollte er mit Hinweis auf seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht erklären. Mehrfach habe er ihn darauf hingewiesen, dass das Verfahren gefährdet sei, warf Heer dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl vor. Doch der habe die Warnungen »in den Wind geschlagen«. Götzl unterbrach die Verhandlung. Dann verkündete er, dass der Antrag abgelehnt werde.
So war es von den Vertretern der Nebenklage erwartet worden. Denn anderes hätte ein Aussetzen des Prozesses, also einen Neustart und die denkbare Entlassung der Angeklagten Beate Zschäpe sowie Ralf Wohlleben aus der Untersuchungshaft bedeuten können. Zudem sieht das Gesetz die Mandatsniederlegung eines Pflichtverteidigers nicht vor. Zu solchen Fällen kam es nur dann, wenn das Vertrauensverhältnis zum Mandanten so »nachhaltig erschüttert« war, dass eine Verteidigung objektiv unmöglich wurde.
Die Angeklagte hatte bereits im Juni die »Entbindung« von Anja Sturm beantragt hatte, doch Götzl hatte dem nicht zugestimmt. Stattdessen berief er Mathias Grasel zum vierten Pflichtverteidiger. nd/Agenturen
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