Wichtiger als die Champions League
Bei Europas Makkabi-Spielen wollen jüdische Sportler in Berlin eine stolze Familie sein
Die ehemalige Leistungsschwimmerin Sarah Poewe war bei den Olympischen Spielen 2004 die erste jüdische Sportlerin, die nach dem Holocaust eine Medaille für Deutschland gewann. Nun hat sie die Patenschaft für die Schwimmwettbewerbe bei der größten jüdischen Veranstaltung des Kontinents übernommen, den Europäischen Makkabi-Spielen in Berlin. Am Dienstagabend wird Bundespräsident Gauck in der Waldbühne die Spiele eröffnen, die zum ersten Mal in Deutschland zu Gast sind.
2300 jüdische Athleten aus 36 Ländern werden ihre Wettbewerbe auf dem Olympiagelände bestreiten, wo Hitler 1936 sein Regime bejubeln ließ. Die Organisatoren möchten zeigen, wie selbstverständlich jüdisches Leben in Deutschland ist. Die in Südafrika aufgewachsene Sarah Poewe wird nicht noch einmal ins Becken steigen. Sie ist schwanger und schwärmt dennoch von der besonderen Atmosphäre: »Bei den Makkabi-Spielen kommen viele stolze Sportler zusammen, die auch Geschichte schreiben wollen. Es ist eine große Familie, in der Sportler durch ihre Religion etwas Gemeinsames haben.«
Die Makkabi-Spiele gleichen einem riesigen jüdischen Klassentreffen. Es gibt Wettbewerbe in 19 Sportarten, darunter Schach, Bridge und Futsal. Weltrekorde sind nicht zu erwarten, aber darum geht es den meisten auch nicht. Fast alle Athleten übernachten in einem Hotel in Berlin-Neukölln. Viele von ihnen stammen von Überlebenden des Holocaust ab, viele werden zudem erstmals in Deutschland sein. Die jüngeren Sportler nehmen an einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen teil, für die Offiziellen gibt es einen Empfang im Auswärtigen Amt.
Klaus Böger, Präsident des Landessportbundes Berlin, formulierte es in der Bundespressekonferenz so: »Aus sportlicher Sicht mag das Champions-League-Finale dieses Jahr für Berlin wichtiger gewesen sein, aber gesellschaftspolitisch sind die Makkabi-Spiele noch wichtiger.« Zur Eröffnungsfeier wird auch Silvan Shalom anreisen, der Vize-Premierminister Israels.
Nach fast 120 Jahren kehren die Makkabi-Spiele zu ihren Wurzeln zurück: 1898 wurde in Berlin der erste deutsch-jüdische Sportverein gegründet, die Keimzelle der jüdischen Sportbewegung. Überall in Europa gründeten Juden Vereine, weil sie in nicht-jüdischen Verbindungen selten willkommen waren. Der Arzt Max Nordau prägte auf dem Zionisten-Kongress den Begriff des »Muskeljuden«. Sport diente also dazu, sich für den Aufbau der Heimstätte Palästina zu kräftigen.
1932 fand in dem britischen Mandatsgebiet die erste Makkabiade statt. Der Name geht zurück auf den jüdischen Freiheitskämpfer Judas Makkabäus. Er lebte vor rund 2200 Jahren und ist der ideale Namensgeber für die Makkabiade, berichtet Historiker Moshe Zimmermann aus Jerusalem: »Wo waren die Juden heldenhaft, wo waren die Juden muskulös, wo waren die Juden stark? Zur Zeit der Makkabäer. Diese Symbolik wird bis heute kultiviert.«
In den 1960er Jahren erwachte Makkabi in Deutschland zu neuem Leben. Rasant gewachsen ist die Bewegung in den 90ern. Aus der Sowjetunion wanderten Tausende Juden nach Deutschland ein. Makkabi half ihnen bei der Integration: Inzwischen sind in 37 Ortsvereinen 4000 Mitglieder aktiv, darunter viele Christen und Muslime. Weltweit versammeln sich in 450 Gemeinden mehr als 400 000 Sportler bei Makkabi, auch in Taiwan, Simbabwe oder auf den Marshallinseln.
Noch immer gibt es jedoch ältere Makkabi-Funktionäre, die nicht nach Deutschland reisen wollen. Oren Osterer, der Organisationschef der Spiele von 2015, argumentiert dagegen: »Es geht uns darum, die Identität als deutsche Juden auch wieder darstellen zu können.« Osterer hatte es nicht leicht, in den vergangenen Monaten Sponsoren zu finden. So musste der Etat von sieben auf fünf Millionen Euro gekürzt werden, rund zehn Prozent davon sind für die Sicherheit veranschlagt.
Die letzten Europäischen Spiele fanden 2011 in Wien statt. Zum ersten Mal liefen die deutschen Makkabi-Sportler mit Schwarz-Rot-Gold auf, zuvor waren diese Farben bei den Spielen nicht erwünscht. Nun in Berlin verbreiten die Organisatoren ein nach vorn gerichtetes Bild: Überall hängen Ankündigungsplakate, darauf sind athletische Motive mit jiddischen Begriffen zu sehen: »Meschugge« oder »Mischpoke«.
Die Organisatoren würden die Wettbewerbe mittlerweile gern für Nicht-Juden öffnen, doch das untersagt der Europäische Makkabi-Verband. Stattdessen wird es andere Begegnungen geben: die Makkabi-Fußballer spielen in einem Freundschaftsspiel gegen eine Auswahl ehemaliger deutscher Nationalspieler, die Basketballer treffen auf Alba Berlin. »Es ist schön, dass ein frisches, neues Bild des Judentums in Berlin gezeigt wird«, sagt Tischtennisspieler Alexander Iskin. »So können wir die Schwere der Vergangenheit für einige Wochen hinter uns lassen.«
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