Werbung

Galbraith verteidigt Grexit-Arbeitsgruppe

Ökonom: Haben Szenarien für den Notfall durchgespielt / Ex-Finanzminister Varoufakis verweist auf Drohungen unter anderem aus Berlin / Auch EZB und andere dachten über »Plan B« nach

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 4 Min.

Hat die griechische Regierung über einen »Plan B« nachgedacht für den Fall, dass die Gläubiger einen Austritt aus der Eurozone erzwingen? Selbstverständlich, das haben inzwischen das Büro des früheren Finanzministers Yanis Varoufakis und der US-Wirtschaftswissenschaftler James K. Galbraith bestätigt.

Die Frage ist eher, warum der Vorgang und in wessen Interesse für solche Aufregung gesorgt hat. Seit einer Veröffentlichung der konservativen Athener Zeitung »Kathimerini« hatten Zitate für Schlagzeilen gesorgt, laut denen Varoufakis schon länger Maßnahmen wie ein paralleles Banken- und Bezahlsystem geplant habe. Es ging auch darum, Reservekonten für jede Steuernummer zu schaffen, um ein funktionierendes System in der Hinterhand zu haben.

Nicht zuletzt in deutschen Zeitungen war dies als »Grexit-Hack« bezeichnet worden und auf Empörung gestoßen. Inzwischen haben sich nicht nur Varoufakis selbst, sondern auch der an einer entsprechenden Arbeitsgruppe beteiligte Ökonom Galbraith dazu geäußert. Es sei darum gegangen, eine Notfallplanung für mögliche Versuche der Gläubiger vorzubereiten, falls versucht würde, die griechische Regierung aus dem Euro zu drängen.

»Die Fantasie meiner Verleumder«
Berichte über angeblichen »Grexit-Hack« und »Drachme-Putsch« sorgen für Schlagzeilen / Varoufakis: Man will mich als Schurken präsentieren / Lafazanis spricht von Mischung aus »Lügen, Fantasie, Angstmache«

Man habe sich lediglich mit den möglichen operativen Probleme befasst, die in einem solchen Fall zur Lösung angestanden hätten, so Galbraith, der die Arbeitsgruppe unentgeltlich koordiniert hat. Zu keinem Zeitpunkt sei man in Entscheidungen der Regierung eingebunden gewesen, auch habe man nicht zu einem Grexit geraten. Die Arbeitsgruppe habe ihre Tätigkeit Anfang Mai eingestellt und ein längeres Papier mit Szenarien und den damit verbundenen möglichen Anforderungen vorgelegt.

Ganz ähnliche Vorbereitungen haben auch andere Akteure der Eurokrise getroffen - so hat etwa die Europäische Zentralbank im April verschiedene Szenarien durchgespielt, was im Falle eines möglichen Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro passieren würde. Auch die griechische Nationalbank, die Finanzministerien diverser Euro-Staaten und internationale Organisationen hatten dies getan - und das zum Teil schon seit 2012, worüber in den Medien auch berichtet worden war.

Ein selbst angestrebter Grexit, für den auf dem linken Flügel von SYRIZA durchaus Sympathien bestehen, hatte aber nie auf der Agenda der griechischen Regierung gestanden. Man habe dazu kein Mandat der Bevölkerung, darauf hatten immer wieder führende SYRIZA-Mitglieder und Minister hingewiesen. Darunter auch Varoufakis in einer Telefonkonferenz, von der »Kathimerini« Auszüge aus einem Mitschnitt veröffentlichte - die Grundlage für die Aufregung der vergangenen Tage.

Inzwischen ist die Aufnahme im Internet veröffentlicht worden - mit Zustimmung von Varoufakis. Der erklärt dort gleich zu Beginn noch einmal, dass es für die Option Grexit keine demokratische Legitimation der Bevölkerung gegeben habe, weshalb die griechische Regierung einen solchen auch nicht angestrebt habe. Da aber, nicht zuletzt der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, immer wieder und bis heute mit der Drohung eines zumindest vorübergehenden Hinausdrängens des Landes aus der Eurozone Druck gemacht haben, sei es nur allzu vernünftig gewesen, für einen solchen Fall auch Vorbereitungen zu treffen.

Varoufakis hat inzwischen an verschiedener Stelle kritisiert, seine Äußerungen seien von »Kathimerini« aus dem Zusammenhang gerissen worden, um ihn als »Gauner« darzustellen und die Arbeit der griechischen Regierung in den ersten fünf Monaten zu diskreditieren. Er habe einfach eine Lösung für die Finanzkrise gesucht - die Journalisten von »Kathimerini« hätten ihn zu den Auszügen aus dem Mitschnitt der Telefonkonferenz nicht einmal befragt und mit der Behauptung, es sei eine Art Diebstahl von Steuerdaten durch das Eindringen in das Computersystem der Behörden geplant gewesen, für Desinformation gesorgt.

Dies ist auch in deutschen Nachrichtenagenturen kolportiert worden, wo etwa davon die Rede ist, »dass ein kleines Team des Finanzministeriums das Steuersystem des eigenen Ministeriums hacken sollte, um Steuerdaten griechischer Bürger und Unternehmen für den Aufbau des parallelen Zahlungssystems zu entwenden«. Varoufakis hat dies zurückgewiesen. Vielmehr sei es darum gegangen, und dies habe er auch öffentlich bei seiner Abschiedsrede im Ministerium am 6. Juli erklärt, bereits bestehende Internetangebote des Finanzministeriums zu einem Zahlungssystem zu erweitern. Dies hätte zu »Effizienzgewinnen bei Transaktionen zwischen dem Staat und Steuerzahler sowie zwischen der Steuerzahler beitragen«, erklärte das Büro von Varoufakis.

Vize-Finanzminister Dimitris Mardas hat unter dem Eindruck der Veröffentlichungen am Montag in Athen erklärt, ein »Varoufakis-Plan wurde nie diskutiert«. Die Schilderungen in den Medien erinnerten ihn an einen »guten Roman«. Sollten sie sich als wahr herausstellen, stelle sich allerdings die »Frage der Rechtmäßigkeit«. Auch die Opposition hatte Aufklärung verlangt. Die konservative Nea Dimokratia, die sozialdemokratische Pasok und die liberale To Potami forderten die Regierung auf, den Berichten nachzugehen. mit Agenturen

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.