Neuer Bezirks-Chef der IG Metall steht vor vielen Aufgaben
Jörg Köhlinger steht vor vielseitigen Aufgaben
Frankfurt/Main. Gewählt ist Jörg Köhlinger nicht. Als Bezirksleiter wurde der 51-Jährige vom Bundesvorstand der IG Metall bestellt, die gewerkschaftlichen Geschicke in den vier Ländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen zu lenken. Diese Aufgabe ist schon wegen der sehr gemischten Struktur der regionalen Wirtschaft anspruchsvoll. Außerdem stehen gesellschaftliche Umwälzungen an, die der gelernte Industriekaufmann kräftig mitgestalten will.
Der verheiratete Vater zweier Söhne mag die Stadt Frankfurt. Seit 1990 lebt er mit seiner Familie in der Main-Metropole, schätzt die kurzen Wege und die freiheitliche Atmosphäre. »Ich lebe gern hier«, sagt Köhlinger, der auch engen Kontakt zur übrigen Familie im mittelhessischen Wetzlar hält.
Im Moment ist der parteilose Gewerkschafter viel im Bezirk unterwegs, der vom Saarland bis nach Ostthüringen reicht. Überall stehen Vorstellungsgespräche bei Unternehmen, Politik und Verbänden oder intensive Beratungen mit den örtlichen Gewerkschaftern und Betriebsräten an. Der Bezirksleiter will wissen, was in den Betrieben los ist. Köhlinger kennt sich allerdings schon sehr gut aus, schließlich arbeitet er seit 1991 im Bezirk, zuletzt als Tarifexperte.
Köhlingers Vorgänger Armin Schild ist nach Berlin gewechselt, um die Geschäfte des »Netzwerks Zukunft der Industrie« zu führen, in dem Gewerkschaften, Arbeitgeber und Industrieverbände gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen streiten. Auf regionaler Ebene sucht Köhlinger das Gespräch mit vier Landesregierungen unterschiedlicher politischer Prägung, wobei er in Mainz und Erfurt schon viel Rückenwind verspürt. Auch in Saarbrücken gebe es sehr tragfähige Verbindungen, während die CDU-geführten Landesregierungen Hessens zumindest in der Vergangenheit nicht immer den Rat der größten Gewerkschaft im Lande gesucht hätten.
Strukturpolitisch steht vor allem die Stabilisierung der Automobilzulieferer auf dem Programm, von denen es rund 200 im Bezirk gibt. Der Kostendruck gerade auf die kleineren Unternehmen nimmt zu, die Standorte in Osteuropa mit ihren geringen Arbeitskosten werden immer wettbewerbsfähiger. »Wir werden in den kommenden Jahren sicher eine Reihe von Abwehrkämpfen erleben«, sagt Köhlinger. Die Branche kennt er im Detail, bis zum vergangenen Jahr war er Aufsichtsrat beim Dax-Konzern Continental.
Mit rund 320 000 Mitgliedern ist der Bezirk Mitte unter den sieben Regionen der IG Metall der kleinste der Großen - oder der größte der Kleinen. Die Mitgliederzahl bis 2025 zu halten ist als Ziel schon ziemlich ehrgeizig, denn gerade haben die geburtenstarke Jahrgänge begonnen, aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Neue Mitglieder sollen zum einen über systematische Ansprache und Beteiligung in den Unternehmen gewonnen werden. Andererseits sind Konflikte häufig der Anlass, in bislang noch tariffreien Betrieben Mitglieder zu gewinnen und schließlich auch dort Fuß zu fassen.
Ein Mega-Thema wird nach Köhlingers Ansicht künftig die Frage nach der Arbeitszeitsouveränität. Flexibilität dürfe keine Einbahnstraße zulasten der Beschäftigten sein, sagt er. »Es kann nicht sein, dass nur die Arbeitgeber souveränen Zugriff auf die Arbeitszeitkonten haben.« Auch die Mitarbeiter müssten in bestimmten Lebenssituationen und auch mal kurzfristig über ihre Zeit verfügen können - etwa bei einem Kita-Streik. Für tariflich abgesicherte Freistellungen für Erziehungs-, Fortbildungs- oder Pflegezeiten und einen verlässlichen Ordnungsrahmen zur Arbeitszeit will die IG Metall künftig streiten. Näheres soll der Gewerkschaftstag im Oktober in Frankfurt festlegen. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.