Ein Problem der Mitte
Christian Baron über Erfolge und Gefahren der rechten Musikszene
Nach dem Klick auf die in einschlägigen Online-Kanälen verfügbaren Videos rechtsextremer Musiker fallen gewöhnlich zuerst der schiefe Gesang und das stümperhafte Spielen der Instrumente auf, aber auch die rudimentäre Deutschkenntnisse offenbarenden Texte der meisten dieser so stolzen Deutschen. Gerade vom mondänen Berlin aus war es lange Zeit beliebt, über solche sich ihren Hass in konspirativ zusammengetrommelten Dorfschuppen-Gigs von der Seele brüllenden Kleiderschrankkerle zu spotten.
Jetzt, da die Neonazis auch in Berlin wieder häufiger zu Musikveranstaltungen antreten, stehen deren Gegner vor einer neuen Herausforderung: Rechte bedienen sich immer konsequenter bislang tabuisierter Symbolik. Mittlerweile nutzen sie selbst Musikstile wie Rap, um Menschen jenseits ihrer Kernklientel zu rekrutieren. Als Kombination des durch Thilo Sarrazin popularisierten »Das wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen«-Rassismus und des seit der Fußball-WM 2006 alltagstauglichen Partypatriotismus inszenieren sich die Rechten als »besorgte Bürger«.
Unter diesem Deckmantel hetzen sie derzeit vor allem gegen Flüchtlinge. Der linke Widerstand erschöpft sich bislang überwiegend darin, den Rassismus auf einzelne provinzielle »Nazi-Prolls« aus der sogenannten Unterschicht zu reduzieren. Die Zunahme rechter Musikveranstaltungen in modischen Stilrichtungen im hippen Berlin zeigt jedoch wieder einmal: Rassismus ist ein strukturelles Problem, das in der »Mitte der Gesellschaft« wurzelt.
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