Mit Videos Flüchtlinge abschrecken
Feuer in Duisburger Flüchtlingsunterkunft / Keine Hinweise auf IS-Kämpfer unter Flüchtlingen /Berlins Sozialsenator Czaja fordert: Flüchtlinge in ostdeutsche Kasernen! / Pro Asyl fordert sichere Fluchtrouten nach Europa
Update 16.40 Uhr: Flüchtlinge als Chance für den Osten sehen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt hat sich für die verstärkte Unterbringung von Flüchtlingen in Ostdeutschland ausgesprochen. Es sei »eine zukunftsträchtige Perspektive für überalterte Wohnorte und verödende Innenstädte, wenn hochmotivierte und zum Teil gut ausgebildete Flüchtlinge der demografischen Entwicklung entgegenwirken«, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des 68-Jährigen.
Hintergrund ist ein entsprechender Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Patzelt, der zeitweise Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) war, stellt sich damit gegen Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der die Idee ablehnt.
Patzelts Familie gewährt seit rund einem Monat zwei Asylbewerbern aus Eritrea Zuflucht in ihrem Wohnhaus in Briesen (Oder-Spree). Im MDR-Info-Radio sprach sich der 68-Jährige zugleich gegen eine staatliche Prämie für Privatleute aus, die Flüchtlinge aufnehmen.
Patzelt bekommt viel Zuspruch für seine Hilfe für die Asylbewerber, aber auch Morddrohungen. Der Grünen-Landesverband forderte laut Mitteilung von Polizei und Justiz, nach den Tätern zu fahnden. Laut Innenministerium steht die Polizei mit Patzelt in Kontakt.
Update 15.20 Uhr: Video statt Hilfe für Balkan-Flüchtlinge
Das Bundesinnenministerium hat am Freitag ein Video veröffentlicht, dass sich an potenzielle Asylbewerber aus den westlichen Balkan-Staaten richtet. Es soll in ihren Herkunftsländern gezeigt werden und sie darüber aufklären, dass sie in Deutschland praktisch keine Aussicht auf eine Anerkennung als Asylberechtigte haben.
Das Ministerium teilte in Berlin mit, der Kurzfilm sei »eine weitere Maßnahme der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern, um dem Zustrom Asylsuchender aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien zu begegnen«.
Mehr als 40 Prozent der Flüchtlinge kommen in den letzten Monaten aus Balkanländern. Ihre Chancen auf Anerkennung sind mit 0,1 bis 0,2 Prozent extrem gering, da die meisten ihrer Herkunftsländer inzwischen zu sicheren Herkunftstaaten erklärt wurden, was .
Der CSU-Politiker und vormalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich forderte unterdessen in der ARD die Wiedereinführung der Visumspflicht für Einreisende aus Balkanländern. Die SPD denkt in einem internen Papier über die verstärkte Ausstellung von Arbeitsvisa nach.
Update 15.30 Uhr: Steinmeier für Einstufung von Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer
In der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen vom Westbalkan hat sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) für eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausgesprochen. Dieser Schritt würde das Problem zwar nicht alleine lösen, könne aber helfen, die Asylverfahren zu beschleunigen, sagte Steinmeier der in Düsseldorf erscheinenden »Rheinischen Post« (Samstagsausgabe). Bei der Aufnahme von Flüchtlingen stehe ganz Europa »vor einer Jahrhundertaufgabe, für die es ganz einfache Antworten nicht gibt«.
Für eine Einstufung von Albanien, Montenegro und dem Kosovo als sichere Herkunftsstaaten machte sich bislang vor allem die Union stark, zuletzt signalisierten aber auch führende SPD-Politiker Zustimmung. Im vergangenen Jahr waren bereits Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Diese Einstufung ermöglicht ein verkürztes Asylverfahren und eine schnellere Abschiebung. Asyl-Anträge von Menschen aus Balkanländern haben in Deutschland in der Regel keine Aussicht auf Erfolg.
Steinmeier forderte innerhalb der EU eine »faire Lastenverteilung« bei der Flüchtlingsaufnahme. Deutschland habe sich bereiterklärt, Flüchtlinge aus besonders belasteten Ländern wie Italien oder Griechenland aufzunehmen. »Das können wir im eigenen Land aber auf Dauer den Menschen nur vermitteln, wenn sich nicht andere europäische Länder ihrer Verantwortung entziehen«, betonte der Außenminister.
Zudem forderte der SPD-Politiker ein Zuwanderungsgesetz. »Die Zuwanderung, die wir brauchen, können wir nicht dem Zufall überlassen«, sagte Steinmeier. Deutschland brauche neben dem Asylzugang eine »zweite Tür für legale Arbeitsaufenthalte«.
Update 12.40 Uhr: Feuer in Duisburger Flüchtlingsunterkunft
Erneut hat es in in der Nacht zum Freitag in einer Unterkunft für Flüchtlinge gebrannt. Wie die »Ruhrbarone« berichteten, wurden in Duisburg-Hochfeld gegen 3 Uhr mehrere Müllcontainer angezündet, die auf dem Gelände einer Asylunterkunft stehen. Der Staatsschutz und die Polizei haben die Ermittlungen aufgenommen.
In dem Heim sind laut Bericht derzeit 160 Menschen untergebracht, die nun aus Angst vor möglichen rassistischen Übergriffen einen Wachdienst zu ihrem Schutz fordern.
Update 11.20 Uhr: »Peng Kollektiv« ehrt Fluchthelfer
Mit einem symbolischen »EU-Verdienstkreuz« sind in Berlin mehrere Fluchthelfer geehrt worden, die Menschen bei der illegalen Einreise in EU-Staaten geholfen haben. Die goldfarbenen »europäischen Verdienstkreuze am Bande« wurden am Freitag bei einer Aktion am Brandenburger Tor in unmittelbarer der Berliner Vertretung der EU-Kommission von der Initiative »Peng Kollektiv« an acht Frauen und Männer vergeben.
Ausgezeichnet wurden zwei Frauen aus Griechenland und Deutschland, die bereits wegen der Unterstützung von Flüchtlingen vor Gericht standen oder in Untersuchungshaft saßen, und weitere sechs größtenteils anonyme Fluchthelfer. Die Frauen und Männer hätten mit einem »nötigen und wichtigen Akt des zivilen Ungehorsams« dazu beigetragen, die europäischen Grundwerte der Menschenwürde zu verteidigen.
Die Initiative rief auch dazu auf, sich als Fluchthelfer zur Verfügung zustehen. Auf einer besonders gesicherten Internetseite hätten sich bislang mindestens 18 Menschen dazu bereit erklärt, anderen Menschen bei der Einreise in europäische Staaten zu helfen, sagte ein Sprecher.
Update 11.00 Uhr: Flüchtlinge warten in Berlin bei Hitze auf Termin
Warten in der Hitze: Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSO) hat Vorwürfe zurückgewiesen, wonach Flüchtlinge in der Schlange vor dem Amt unzureichend versorgt würden. »Bei uns muss keiner verdursten«, sagte ein Behördensprecher am Donnerstag.
Helfer der Facebook-Gruppe »Moabit hilft« hatten die Wartesituation als »unmenschlich« beschrieben und dazu aufgerufen, die Menschen dort privat etwa mit Wasser und Obst zu versorgen. Nach LAGeSO-Angaben sei eine Grundversorgung aber gesichert. (Lesen Sie hier den Beitrag zur Situation der wartenden Flüchtlinge vor dem LAGeSO von nd-Autor Florian Brand)
Für Freitag mit erwarteten Temperaturen von um 40 Grad sei man zudem mit 4000 Litern Wasser und freiwilligen Helfern vorbereitet. Spätestens ab kommender Woche solle auch eine Art Trinkbrunnen vor dem Amt angebracht werden.
Täglich suchen den Angaben zufolge 1000 bis 2500 Flüchtlinge das LAGeSO auf: Sie haben teils Termine, 300 bis 550 Menschen melden sich aber erstmalig dort. Wie lange sie vor dem Amt ausharren müssen, konnte der Sprecher nicht beantworten.
Update 10.45: Pro Asyl fordert sichere Fluchtrouten nach Europa
Angesichts des erneuten Flüchtlingsunglücks im Mittelmeer hat die Organisation Pro Asyl die Europäische Union aufgefordert, Flüchtlingen geregelte und sichere Passagen nach Europa zu ermöglichen. Unter den Flüchtlingen auf dem Mittelmeer seien viele Menschen, die Anspruch auf Schutz hätten, wenn sie europäisches Territorium erreichten, sagte der stellvertretende Geschäftsführer von Pro Asyl, Bernd Mesovic, am Freitag im Deutschlandfunk. Kein Syrer würde beispielsweise freiwillig den gefährlichen Fluchtweg auf unsicheren Booten über das Mittelmeer wählen, wenn es sichere Passagen gäbe.
Am Mittwochvormittag war ein aus Libyen gestartetes Flüchtlingsboot binnen kurzer Zeit gesunken, nachdem sich Rettungsboote genähert hatten - offenbar weil sich die Flüchtlinge massenhaft auf eine Seite bewegten. Mehr als 370 Flüchtlinge wurden gerettet, allerdings wurden auch die Leichen von 25 Todesopfern geborgen. Die Opferzahl dürfte deutlich höher liegen, da etwa 200 Flüchtlinge seit dem Unglück vermisst wurden.
Update 10.20 Uhr: Kein Dschihadist in Sicht
Die Bundesregierung hat einem Zeitungsbericht zufolge keine Hinweise darauf, dass Mitglieder der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) als Flüchtlinge getarnt nach Deutschland kommen. Es lägen »keine belastbaren Hinweise« vor, wonach sich IS-Mitglieder gezielt unter Flüchtlinge oder Asylsuchende mischten oder sich selber als solche ausgäben, um einen Aufenthaltsstatus in Deutschland oder anderen europäischen Ländern zu erlangen, heißt es laut einem Bericht der »Mitteldeutschen Zeitung« vom Freitag in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion.
»Auch liegen keine bestätigten Erkenntnisse zum Aufenthalt von IS-Mitgliedern oder Sympathisanten in deutschen Flüchtlings - oder Aufnahmeeinrichtungen vor«, erklärte das Bundesinnenministerium laut dem Blatt weiter. Es habe zwar vereinzelt entsprechende Hinweise in Flüchtlingsunterkünften gegeben, »mitunter in denunziatorischer Absicht«. Eine IS-Mitgliedschaft habe aber nirgends bestätigt werden können.
Update 9.30 Uhr: Ab in die Kaserne!
Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will Flüchtlinge aus Berlin künftig verstärkt in leerstehenden Kasernen in den neuen Bundesländern unterbringen. Czaja unterstützt damit einen entsprechenden Vorschlag des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Das Quotensystem, nachdem die Asylbewerber auf die 16 Länder verteilt würden, sei angesichts der dramatischen Lage nicht mehr zeitgemäß, sagte Czaja der »Berliner Morgenpost« (Freitag) .
Es würden dabei ausschließlich Einwohnerzahl und Steueraufkommen berücksichtigt. Das führe dazu, dass etwa Berlin und Sachsen fast die gleiche Aufnahmequote hätten, obwohl die Voraussetzungen für die Flüchtlingsaufnahme sehr unterschiedlich seien. Dies betreffe die verfügbare Fläche, die Bevölkerungsdichte und das Vorhandensein geeigneter Standorte und Objekte, so Czaja. Die Herrichtung ungenutzter Kasernen sei für die Flüchtlinge und Kommunen in jedem Fall die bessere und humanere Option gegenüber Zeltstädten und Turnhallen.
Update 9.00 Uhr: Städte erwarten mehr Geld für sozialen Wohnungsbau
Die Kommunen erwarten zur Unterbringung der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen eine deutliche Aufstockung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau. »Der Bund wird sich bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus im Milliardenbereich engagieren müssen, bisher gibt er gut 500 Millionen Euro«, sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly (SPD), der »Rheinischen Post« (Freitagsausgabe). Bis zum 24. Juli wurden nach dem Bericht des Blatts in diesem Jahr bereits 209.219 Asylanträge in Deutschland gestellt.
Das gehe aus einer Übersicht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für eine telefonische Innenministerkonferenz der Länder am 30. Juli hervor. Demnach wurden im Juli die meisten Anträge von Syrern gestellt (23.703), gefolgt von Albanern (16.200) und Afghanen (7.102).
Städtetagspräsident Maly betonte, eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus sei dringend nötig, um mehr bezahlbare Wohnungen unter anderem für Flüchtlinge zu schaffen. »Im Moment fördern Bund und Länder den Wohnungsbau zusammen mit zwei Milliarden Euro und reden darüber, diese Summe erheblich anzuheben«, sagte der Nürnberger Oberbürgermeister. Er forderte zudem mehr Geld für die kommunalen Integrationsleistungen wie Sprachkurse, Kita-Plätze, Gesundheitsversorgung oder die Wohnungs- und Jobvermittlung. »Wir reden also insgesamt über eine milliardenschwere Aufstockung der Bundesmittel«, sagte Maly.
Mit Blick auf die hohe Zahl von Asylbewerbern aus Balkanstaaten forderte die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), Asylanträge aus diesen Ländern vorranging zu bearbeiten. »Es macht wenig Sinn, Menschen in die Nachbarschaften zu verteilen, die kaum Chance auf Asyl haben«, sagte Özoguz der »Saarbrücker Zeitung«. Zugleich lehnte sie gesonderte Lager für Balkan-Flüchtlinge ab, wie sie Bayern und Sachsen planen.
Eine Anerkennung weiterer Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten sieht Özoguz kritisch. Zwar sei sie nicht grundsätzlich dagegen, Albanien, das Kosovo und Montenegro auf diese Liste zu setzen, »aber die Zahlen aus den schon zu sicheren Drittstaaten ernannten Ländern begründen nicht die Annahme, dass allein das schon zu erheblich kürzeren Verfahren führt«, gab die SPD-Politikerin zu bedenken.
Dagegen sprach sich Städtetags-Vizepräsident Maly dafür aus, die Westbalkan-Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. »So wird ein Signal in die Herkunftsländer gesandt, dass es sich nicht lohnt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, weil die Chance auf Anerkennung relativ gering ist«, sagte Maly. Er fordert außerdem mehr EU-Hilfen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Westbalkan-Staaten.
Im vergangenen Jahr waren bereits Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Diese Einstufung ermöglicht ein verkürztes Asylverfahren und eine schnellere Abschiebung. Asylanträge von Menschen aus Balkanländern haben in Deutschland in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. Agenturen/nd
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