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Zu wenig Geld für das strahlende Erbe

Peter Dickel über den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie, jahrzehntelange AKW-Altlasten und staatliche Subventionen für die Stromkonzerne

  • Peter Dickel
  • Lesedauer: 3 Min.
Irgendwie haben wir es ja schon immer geahnt: Dass das Geld am Ende nicht reichen wird, um die Ewigkeitslasten der Atomenergie zu bewältigen. Die Stromkonzerne wollen nicht zahlen und die Politik wird das wohl akzeptieren.

Irgendwie haben wir es ja schon immer geahnt: Dass das Geld am Ende nicht reichen wird, um die Ewigkeitslasten der Atomenergie zu bewältigen. Die Stromkonzerne verweisen auf 38 Milliarden Rückstellung und zucken mit den Schultern. Mehr ist nicht da, die Geschäfte laufen schlecht. Und würde man ihnen diese Summe cash abverlangen, brächte sie dies in ernsthafte Schwierigkeiten. Das wird also kein Politiker tun, allzumal kein Sozialdemokrat, der auf Arbeitsplätze und die Bedeutung der RWE für kommunale Finanzen verweisen kann.

Aber nicht die Konzerne (oder Franz Josef Strauß) haben uns diese Situation eingebrockt. Lange hatten konservative Politiker erfolglos versucht, die ablehnenden deutschen Stromkonzerne für die Atomenergie zu erwärmen. Mit der 4. Atomgesetznovelle schnürten zupackende Sozialdemokraten dann Mitte der 1970er Jahre ein Paket, bei dem es nicht mehr nur um günstige Rahmenbedingungen ging, sondern um die unmittelbare Subventionierung von Gewinnen für die damals noch gesetzlich abgesicherten Strommonopole. Der Unterschied zu Frankreich: Während Paris die gigantischen Verluste der staatlichen Atomkonzerne absichert, subventionierte der Staat hierzulande direkt die Monopolprofite.

Einmal überzeugt, nutzten die Strommonopole die zentralisierende Wirkung der Atomtechnik zur Marktbereinigung. Der Bau von Atomanlagen erfordert hohen Kapitaleinsatz. Großzügig banden sie kommunale Versorger und Verteiler ein, um sie sich dann nach und nach einzuverleiben. Die steuerfreien Rückstellungen waren in den 1980er und 1990er Jahren die Basis für die (allerdings nicht sehr erfolgreiche) Diversifizierung und Ausbreitung in andere Branchen. Schon in den 1990er Jahren schlug deshalb Herman Scheer, solares Aushängeschild der Bundes-SPD, vor, die Entsorgungsrückstellungen in einen öffentlich verwalteten Fonds zu überführen. Um die Jahrtausendwende wäre das vielleicht noch möglich gewesen. Aber heute angesichts des desolaten Zustandes der Stromriesen, die - wie es scheint - nie so recht aus dem Dämmerschlaf gesetzlich abgesicherter Monopole aufgewacht sind?

Vier Jahrzehnte nach der bahnbrechenden 4. Atomgesetznovelle ist der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen; und es liegt eine 14. Novelle auf dem Tisch. Damit soll das Nationale Atommüllprogramm in Gesetz gegossen werden. Dieses fordert die Europäische Union mit einer Richtlinie von 2011 bis zum 23. August 2015. Von den erforderlichen Unterlagen ist nur eine bis heute nicht bekannt: Das Papier zur Finanzierung. Sieht man sich aber die übrigen Unterlagen an, wird schnell deutlich, dass zum Beispiel Leistungsreaktoren zu Forschungsreaktoren umdefiniert und Probleme somit ausgeblendet werden sollen. Nicht die Sicherheit steht dabei im Mittelpunkt, sondern die Kostenminimierung.

Doch reicht es angesichts dieser Situation aus, sich mit den Gefahren der atomaren Altlasten auseinanderzusetzen? Tut es nicht, aber es ist wichtig. Insbesondere an den Standorten, an denen der Atommüll jetzt liegt und noch über Jahrzehnte und vielleicht sogar ganz verbleibt. Standorte, die sich nicht wehren, laden zu Billiglösungen zulasten nachfolgender Generationen ein. Und wer glaubt, die Anti-AKW-Bewegung habe sich mit dem Ausstiegsbeschluss von 2011 erübrigt, der irrt. Nur konzentrieren sich die vielen Initiativen eben genau auf diese Abwehrkämpfe und Verwaltungsverfahren an den Standorten.

Wenn am Ende der Atomenergie die Ewigkeitskosten sozialisiert und die Altlasten im ganzen Land verteilt vor sich hinstrahlen, dann war die Durchsetzung des Ausstiegs zwar ein großer Erfolg, aber die gesellschaftliche und vor allem die demokratiepolitische Auseinandersetzung geht am Ende doch verloren. Und das geht wahrlich nicht nur die Standorte an, sondern alle, die in den vergangenen Jahrzehnten gegen die Atomenergie gestritten haben.

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