Niedersachsens Elbphilharmonie
Fortgesetzte Kostenexplosion: Der neue Zentralbau der Lüneburger Uni wird zum Skandal
Der futuristische neue Zentralbau der Leuphana-Universität in Lüneburg könnte zur Elbphilharmonie oder zum Willy-Brandt-Flughafen Niedersachsens werden. Beide Projekte dienen mittlerweile als Synonym für Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten. Die Philharmonie wird statt anfangs veranschlagter 190 nun wohl 790 Millionen Euro erfordern. Und die kalkulierten 766 Millionen Euro für den Airport Berlin sind längst Geschichte; 5,4 Milliarden Euro wird er nach aktuellen Berechnungen mindestens verschlingen.
So schlimm dürften die Kosten in Lüneburg nicht anwachsen. Doch statt einst geplanter 58 Millionen müssen für das Haus, das der amerikanische Stararchitekt Daniel Libeskind konzipiert hat, womöglich annähernd 90 Millionen Euro aufgebracht werden.
Den Anlass zu dieser Befürchtung liefern Papiere des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, die dem NDR vorliegen. Mit »vertraulich« sind die Schreiben gestempelt, aus denen hervorgeht: Ziemlich sicher sei mit 5,5 Millionen Euro Mehrkosten zu rechnen. Nicht auszuschließen seien weitere 7,6 Millionen Euro für Ausgaben, die »entweder erwartet oder noch strittig sind«. Doch nicht genug: »Risikokosten« für unerwartet eintretende Ereignisse am Bau seien nicht auszuschließen, könnten bei 3,9 Millionen Euro liegen. Summe der möglichen Mehrbelastung: 17 Millionen.
Schon vor geraumer Zeit hatte sich die Universität von der ursprünglichen Kalkulation verabschiedet und als neue Bausumme 72,3 Millionen Euro genannt. Werden die vom NDR genannten Zahlen zur Realität, stehen gut 89 Millionen auf der Endabrechnung.
Woher das Geld kommen soll, das den Kostensprung des im Rohbau fertiggestellten Projekts auffängt, scheint bislang unklar. Einen Finanzierungsvorschlag aus Lüneburg, der eine Beteiligung der Uni und eines Investors vorsieht, haben sowohl das Wissenschafts- als auch das Finanzministerium abgelehnt. Das Konzept sei »fragwürdig«, heißt es in den vertraulichen Papieren.
Auf der Landespressekonferenz in Hannover wollten Journalisten am Mittwoch vom Sprecher des Wissenschaftsministeriums, Jan Haude, mehr wissen. Vor allem zur Frage: Wer zahlt? »Dazu kann ich jetzt aktuell noch nichts Finales sagen«, lautete die Antwort. Das Ministerium sei zurzeit in Gesprächen mit der Universität.
Gegenüber »nd« erklärte Haude: Das Ministerium gehe weiterhin von Kostenrisiken aus und habe dies gegenüber dem Parlament sowie der Öffentlichkeit immer kommuniziert. Klarheit darüber, welche der Risiken in welchem Umfang eintreten, gebe es nicht.
Die Experten der Oberfinanzdirektion Hannover dürften ihre Warnung vor einer erheblichen Verteuerung des Protzbaus, wie er oft genannt wird, bestätigt sehen. Schon in Frühjahr 2014 hatten sie gemahnt: Kalkuliere man alle Risiken mit ein, die ein so großes Projekt treffen können, sei durchaus eine Bausumme von 91 Millionen, im Extremfall sogar von 125 Millionen denkbar. Festgehalten werden soll auf jeden Fall am Januar 2017 als Übergabemonat des »Raumschiffs«. Auch mit diesem Namen wird das Bauwerk nicht selten bespöttelt.
Wird es später fertig, darf die Europäische Union, die das Prestigeprojekt zusammen mit Land, Unistiftung, Bund, Kommunen und Sponsoren finanziert, Zuschüsse in Millionenhöhe streichen.
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