»Schwabing spielt Weltrevolution«
Victor Klemperer berichtet über die turbulenten Tage der Münchner Räterepublik
Noch trug er den Soldatenrock, den er einmal freiwillig angezogen hatte, aber das Morden hatte glücklicherweise ein Ende. Victor Klemperer, achtunddreißig Jahre alt, Romanist und Kriegsheimkehrer, lief mit der Aussicht auf eine Dozentur durch das aufgewühlte, chaotische München und war sicher, dass ihn die Revolution bei all seinen Vorhaben nicht stören könne. Arbeiten wollte er, nichts als das, ein großes literarhistorisches Kolleg vorbereiten, Geld verdienen, aber dann geriet er, skeptisch, irritiert, staunend, doch in den Strudel der Ereignisse. Er erlebte Kurt Eisner, der nun an der Spitze der neuen Regierung stand, wie er den tobenden, begeisterten Massen zurief, er sei »ein Phantast, ein Schwärmer, ein Dichter«. Er konnte es kaum glauben: »Schwabing spielt Weltrevolution«. Er wunderte sich über die rätselhafte bayerische Volksseele, die einst einem Märchenkönig gehuldigt hatte und nun ihre Sympathien einem »hergelaufenen Preußen«...
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