Eine Einigung, die SYRIZA spalten könnte
Vor dem Sonderparteitag im September: Linke Plattform kündigt Alternativprogramm an / Tsipras: Wer hätte einen besseren Kompromiss erreicht?
Wenn das griechische Parlament zusammentritt, um über das neue Memorandum abzustimmen, wird es in der SYRIZA-Fraktion viele Nein-Stimmen geben. Kostas Lapavitsas, einer der Vertreter der Linken Plattform in der Partei, erinnerte an die eigenen Wahlziele: SYRIZA sei für ein klares Nein zur Austeritätspolitik gewählt worden. Nun aber komme »eine Reihe außerordentlich harter neuer Maßnahmen, die ein neues Memorandum in derselben Logik mit denen darstellen, die Griechenland bereits in den letzten fünf Jahren zerstört haben«.
So sehen es nicht wenige in SYRIZA. Während Parteichef und Premier Alexis Tsipras die Akzeptanz der Gläubigerauflagen für ein drittes Kreditprogramm als alternativlos betrachtet, weil sonst ein vor allem von deutscher Seite aus betriebener Grexit mit unabsehbaren Folgen gedroht hätte, sehen viele Abgeordnete und Parteipolitiker den Kurs kritisch oder lehnen ihn ab. Zwar erklärte der SYRIZA zugehörige Vizeparlamentspräsident Alexis Mitropoulos, diejenigen, die dagegen votieren wollten, stünden diesmal vor noch größeren Gewissenskonflikten. Aber auch Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou und bis zu 40 andere Abgeordnete werden die Vereinbarung höchstwahrscheinlich nicht mittragen.
Schon bei den Abstimmungen über die ersten zwei Auflagenpakete der Gläubiger votierten jeweils über 30 SYRIZA-Abgeordnete nicht für die Linie von Tsipras. Unmittelbar nach dem Euro-Gipfel hatte sich bereits eine knappe Mehrheit des Zentralkomitees kritisch zu dem Deal geäußert. Im Führungszirkel von SYRIZA hatte man sich aber zuletzt darauf verständigt, zunächst die Verhandlungen abzuschließen – und im September einen Sonderparteitag abzuhalten. Auf dem soll dann der Kurs justiert werden.
Verbunden mit dieser Entscheidung ist, dass auf dem Parteitag auch jene SYRIZA-Mitglieder repräsentiert sind, die erst nach 2013 in die Partei eintraten – möglich, dass Tsipras hier einen größeren Rückhalt für seinen Kurs erwartet. Der linke Flügel hatte sich für einen »Parteitag der Kontinuität« eingesetzt, auf dem dann nur jene SYRIZA-Genossen repräsentiert gewesen wären, die schon länger ein Mitgliedsbuch in der Tasche haben.
Die Diskussion über den Kurs der Partei wird das aber nicht aufhalten. Die Linke Plattform hat angekündigt, einen eigenen Strategieentwurf vorzulegen. Damit reagiert die Linke Plattform auch auf Forderungen von Tsipras, der gegen die innerparteilichen Kritiker immer eingewandt hatte, sie würden zwar wortgewaltig reden, aber keine echte Alternative in petto haben. »Wenn es jemanden gibt, der denkt, er hätte einen besseren Kompromiss erreichen können, soll er jetzt vortreten und das sagen«, so der SYRIZA-Chef bei der letzten ZK-Tagung.
Die Linke Plattform arbeitet nun »an einem politischen Programm«, sagte Lapavitsas in einem Interview mit dem »Tagesspiegel« mit Blick auf den Ausgang des Referendums Anfang Juli, »das das ›Nein‹ in eine entschiedene politische Stimme für die kommende Periode verwandelt«. Man wolle erreichen, »dass die Partei zu ihren Prinzipien zurückkehrt«. Es gehe um »ein Wirtschaftsprogramm, das ein Gegenmodell zum Bail-out« (so genanntes Rettungsprogramm) biete.
Beinhalten soll ein solches »Anti-Bail-out-Programm« demnach unter anderem Schuldabschreibungen, »eine Aufhebung der Austeritätsmaßnahmen, Bankenverstaatlichung, eine Strategie für öffentliche Investitionen statt mehr Privatisierungen und eine Restrukturierung des Staates«. Auch gebe es für ihn keinen Zweifel, »dass Griechenland keine Zukunft im Euro hat«, bekundet Lapavitsas. Ein alternatives Programm könne »nicht umgesetzt werden, so lange Griechenland Teil der Währungsunion bleibt«.
Das Vorgehen von Tsipras hat Lapavitsas als »der Partei von der Führung aufgezwungen« kritisiert, es sei »in keinem demokratischen Prozess beschlossen« worden. Das gilt nicht zuletzt für die Terminierung des Sonderparteitags auf den September, da dann »die wichtigen Entscheidungen schon getroffen sind« – so wie jetzt die grundlegende Einigung mit den Gläubigern. »Das ist ein sehr seltsame Art zu arbeiten für eine demokratische, linke Partei«, meint Lapavitsas. Allerdings hatte Tsipras alternativ auch eine Mitgliederbefragung vor Abschluss der Gläubigergespräche vorgeschlagen – der Führungszirkel der Linkspartei entschied sich aber für den Sonderparteitag.
Fliegt das Bündnisprojekt SYRIZA also jetzt auseinander? Man wolle »sicherlich keine Spaltung«, beteuert Lapavitsas. Doch ob die Widersprüche innerhalb der Partei noch zu kitten sind, steht auf einem anderen Blatt. Zugleich verwies der Ökonom und Abgeordnete darauf, dass eine mögliche Spaltung zwar für die Partei wichtig sei, aber »nicht entscheidend für das Land«.
Wirklich wichtig sei, »ob es möglich ist, die Dynamik beizubehalten, die von dem starken ›Nein‹ im Referendum am 5. Juli ausging«, meint Lapavitsas. Sein Ziel: »Eine breite Front« des Oxi gegen die Gläubiger-Politik, aber auch gegen diejenigen in der SYRIZA-Führung, die »das Nein in ein Ja verwandelt haben«. Damit das geschehe, sagt Lapavitsas, »brauchen wir ein neues und Alternativprogramm für Griechenland, das den Leuten Hoffnung gibt«.
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