Lektor gesucht
Krimi von Gila Lustiger
Ich sehe ihn vor mir: Denis Scheck, der in seiner Sendung »Druckfrisch« mit schmerzvollem Blick Bücher in den Altpapiercontainer wirft, weil sie schlecht geschrieben sind. Es ist zu befürchten, dass Gila Lustigers neuem Roman genau das blühen könnte. Leider muss man sich durch viel zu viele gestelzte, verschrobene, grammatikalisch unsaubere Sätze lesen, um der Handlung zu folgen. »Es gab keine strategische Art zu erfahren, was er wissen wollte ...«. Oder: »Marc drehte sich um und schritt zu den Aufzügen. An der Kaffeemaschine tauschten zwei Kollegen leise den neuesten Tratsch aus, er zog mit dem Umschlag, der ein brennendes Gefühl in seinen Händen verursachte, an ihnen vorbei.«
Zweitens verliert man sich spätestens auf den letzten 100 Seiten, wenn die Nebenhandlung - Konzern, Arbeiter, Entschädigungen - endet und der Prostituiertenmord wieder ins Blickfeld rückt, im Dschungel der Figuren und wünscht sich eine »Besetzungsliste«, in der sich nachschlagen ließe, wer wer und mit wem verbandelt ist. Problem Nummer drei: viel zu viele belehrende und häufig belanglose Diskurse, die die Handlung eher hemmen.
Nun könnte man das klaglos hinnehmen, wäre dies eine eher kontemplative Erzählung, in die innere Gefühlswelten oder landschaftliche Kulissen atmosphärisch einbezogen werden sollen. Doch hier handelt es sich um einen Krimi, der, wäre er weniger bemüht »literarisch«, ein Thriller sein könnte. Der Pariser Journalist Marc Rappaport will einen dreißig Jahre zuvor an einer 19-jährigen Prostituierten begangenen Mord aufklären. Der Fall wurde nie gelöst - und offenbar haben einige mächtige Männer ein Interesse daran, dass das so bleibt. Marc jedoch ist investigativer Reporter beim linken Meinungsblatt seines Jugendfreundes Pierre. Einmal auf die Fährte gesetzt, will er nicht so schnell aufgeben. Denn auch die Machenschaften der Großindustrie spielen eine Rolle.
»Die Schuld der anderen« könnte spannende Lektüre sein, hätte ein Lektor etwas straffend eingegriffen und den holprigen Stil - inklusive der immer wieder als Lokalkolorit eingeworfenen französischen Begriffe - geglättet. So aber liest man lustlos weiter, von der Hoffnung beseelt, es möge sich am Ende lohnen.
Gila Lustiger: Die Schuld der anderen. Roman. Berlin Verlag. 496 S., geb., 22,99 €.
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