Vergleichsweise herausragend
Arbeitsschutzbericht sieht die Zahl der Arbeitsunfälle weiter unter dem Bundesdurchschnitt
Wenn Dilek Kolat vor die Presse tritt, dann hat sie stets gute Nachrichten zu verkünden. Sei es nun die Frage der Jugendarbeitslosigkeit, die Erwerbstätigkeit von Asylsuchenden oder - wie am Mittwoch - die Vorstellung des Arbeitsschutzberichts: Immer wieder gelingt es der Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen (SPD), ihre Themen in einen Kontext zu stellen, der die eigene Arbeit als herausragend erscheinen lässt.
Wenn es ihr zum Vorteil gereicht, dann nutzt sie besonders gerne - ihren Senatskollegen darin nicht unähnlich - das Mittel des Vergleichs mit vermeintlich Schlechteren. »Erfreulich ist«, eröffnete die Politikerin ihr Statement in einem Container der U5-Baustelle, »dass die Zahl der Arbeitsunfälle im Jahr 2013 auf 29 121 leicht gesunken ist.« 2012 seien es noch 29 173 gewesen. Im bundesweiten Vergleich, so Kolat, »gehört Berlin damit zu den Ländern mit der geringsten Zahl an Arbeitsunfällen«.
Dass die Unfallquote, also die Zahl der Verunfallten pro 1000 Erwerbstätigen, von 17,3 (2012) auf 18,5 (2013) angestiegen ist, verschwieg Kolat nicht. Statt die Gründe dafür zu benennen, leitete sie aber auch bei dieser Zahl direkt zum Bundesdurchschnitt über, der »mit 23,8 im Jahr 2012 und 24,9 im Jahr 2013 deutlich über der Quote von Berlin liegt«.
Keine belastbaren bundesweiten Daten lagen der Senatorin bei den tödlichen Arbeitsunfällen vor, sodass sie hier ausführlich den genauen Hergang der fünf Berliner Todesfälle in 2014 referierte. Die Arbeiter verstarben demnach auf Baustellen. Teilweise seien kurz darauf Ermittlungsverfahren bezüglich eventuell nicht eingehaltener Arbeitsschutzmaßnahmen eingeleitet worden, die jeweils noch nicht beendet seien. Tödliche Arbeitsunfälle in anderen Bereichen gab es nach dem Jahresbericht für 2014 nicht. Im laufenden Jahr sei bislang ein Mann bei Reinigungsarbeiten an Glasflächen in einem Fahrstuhlschacht tödlich verunglückt.
Als »vorbildliche Baustelle«, auf der noch kein schwerer Arbeitsunfall zu verzeichnen gewesen sei, bezeichnete Dilek Kolat die U5-Baustelle, die sie im Anschluss gemeinsam mit BVG-Chefin Sigrid Evelyn Nikutta und dem eingeladenen Journalistentross besichtigte.
Zwar gab es am künftigen Bahnhof »Rotes Rathaus« nichts Neues zu berichten (»Wir sind im Zeitplan, die Station wird im Sommer 2016 fertig«). Kolat bot sich jedoch die Möglichkeit, im sommerbedingt beruhigten Politikbetrieb mit Bauhelm und Warnweste zu posieren. Ein Macher-Look, mit dem sich die medienbewusste Sozialdemokratin in Relation zu vielen ihrer Kollegen in brütender Hitze einmal mehr als vergleichsweise herausragend inszenieren konnte.
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