Nächtliches Feuer, feindliche Nachbarn
In Jamel ging die Scheune eines gegen Rechts engagierten Ehepaars in Flammen auf - der Staatsschutz ermittelt
Wer auf dem jüngst eröffneten »Kulturradweg« vom Schweriner See zur Wismarbucht pedaliert, kommt irgendwann auch nach Jamel. Der einsame Weiler im Wald ist schön gelegen - doch zeigt sich hier auch ein ausgesprochen hässlicher Teil der »Kultur« im Nordosten.
In dem Dörfchen, in dem alle Straßen »Forststraße« heißen, sticht nicht nur ein Wandbild im Nazistil ins Auge. Nun gibt es dort auch eine frische Brandruine: Auf dem am südlichen Dorfrand gelegenen Grundstück des 2004 aus Hamburg zugezogenen Künstlerehepaars Birgit und Horst Lohmeyer ist in der Nacht auf Donnerstag eine Scheune abgebrannt, die für Kulturveranstaltungen genutzt wurde. Die Feuerwehr konnte nur ein Übergreifen auf das Wohnhaus verhindern. Verletzt wurde niemand.
Die Umstände legen nahe, dass es sich um eine Brandstiftung mit politischem Hintergrund handeln könnte: Das Dorf gilt seit Jahren als von Rechtsradikalen dominiert, das Ehepaar Lohmeyer dagegen wurde schon mehrfach für ihr Engagement gegen Rechts ausgezeichnet.
Seit 2007 veranstaltet das Paar auf seinem Grundstück das alternative Festival »Jamel rockt den Förster«, das mittlerweile unter Schirmherrschaft der Schweriner Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) steht. Bei der diesjährigen Ausgabe Ende August soll den Lohmeyers der mit 10 000 Euro dotierte Georg-Leber-Preis für Zivilcourage der Gewerkschaft IG BAU überreicht werden.
Das Ehepaar stellt die Tatnacht so dar, dass ein Feriengast das Feuer bemerkt habe - sowie eine fremde Person auf dem Grundstück. »Wir gehen davon aus, dass es sich um eine direkte Reaktion auf die kürzlich bekannt gegebene Verleihung des Georg-Leber-Preises an uns handelt«, sagte Horst Lohmeyer der dpa. »Hier waren Menschenleben in Gefahr«, sagt Birgit Lohmeyer. Die Polizei spricht von einer neuen Eskalationsstufe und geht von Brandstiftung aus. Der Staatsschutz ermittelt.
Der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier (CDU) vermutet einen politischen Hintergrund. Andreas Katz, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, rief dazu auf, »das Rockfestival der Familie Lohmeyer in Jamel zu besuchen«.
Es ist beileibe nicht das erste Mal seit der Wende, dass Jamel für Schlagzeilen sorgt. Schon mehrfach brannte es gerade dort, wo Auswärtige Häuser renovieren wollten, gab es Einbrüche, Drohparolen, handgreifliche Übergriffe. Im Wald wurde Krieg gespielt und geschossen, Fahrzeuge in Wehrmachtsoptik fuhren umher. Immer wieder sorgte die Gegend um Jamel auch bundesweit für Aufsehen. Wie etwa 1997, als gut 30 Jugendliche auf dem nahen Campingplatz in Leisten eine Kindergruppe samt Betreuern verprügelten.
Als Anführer der damaligen Attacke wurde Sven Krüger aus Jamel verurteilt, der bald ein beachtliches Strafregister vorweisen konnte. Der 1974 geborene Rechtsradikale, der vor Ort eine Abbruchfirma gründete, stieg nicht nur zum faktischen Machthaber des Weilers auf, der in Nazikreisen als »Musterdorf« gefeiert wird. Krüger machte auch Karriere in der Politik. 2009 wurde er Kreisabgeordneter der NPD in Wismar, bis 2011 saß er in deren Landesvorstand.
Dann fand die Polizei auf seinem Gelände eine Maschinenpistole sowie gestohlene Baumaschinen. Krüger gestand die Hehlerei, während seine Partei zu dieser Zeit gegen vermeintlich von Polen organisierten Baustellendiebstahl hetzte. Die Szene unterstützte den Inhaftierten dennoch, auch mit einer CD des Titels »Jamel scheißt auf den Förster« - klar auf die Aktivitäten der Lohmeyers gemünzt. Krüger soll sich derweil als Verleger betätigt haben: In einem »Veritas Verlag«, der nicht mit dem gleichnamigen Schulbuchverlag verwechselt werden darf, erschienen biografische Heftchen über SA-Männer.
Inzwischen ist Sven Krüger wieder auf freiem Fuß und offenbar in Jamel zurück, wo Ende Juni eine »Sonnenwendfeier« stattfand. Auch bei Aufmärschen wurde er schon gesehen. Im Internet hatte Krüger angekündigt, seine »Arbeit« fortsetzen zu wollen. Steht nun der Brand bei den ihm so sehr verhassten Nachbarn mit dieser »Arbeit« und seiner Rückkehr in Verbindung?
Dies gehört zu den Fragen, die jetzt von den Ermittlern dringend aufgeklärt werden müssen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.