Fingerabdruck von Russland-Reisenden
Verschärfte Visabedingungen besorgen Tourismus-Branche
Russische Besucher von Schengen-Land kennen das Patsch-Tool bereits. Wann immer sie in Konsulaten von EU-Ländern einen Visaantrag stellen, müssen sie auch ihre Fingerabdrücke hinterlassen. Künftig sollen das auch potenzielle Russland-Besucher tun müssen. Wenn die bilateralen Beziehungen massiv getrübt sind, wie derzeit wegen der Ukraine-Krise, handhaben Diplomaten das Prinzip der Reziprozität: Wie du mir, so ich dir. Bei diversen Russland-EU-Gipfeln gehörte die Visafreiheit für die Bürger des jeweils anderen Staates lange zu den Dauerbrennern. Das war einmal.
Auf Ausländerbetreuung spezialisierte Reiseveranstalter und sogar Beamte der Tourismusbehörde in Russland ballen die Fäuste, natürlich nur in Hosen- und Rocktaschen. Mit Fingerabdrücken, fürchten sie, werde Mütterchen Russland sich keine neue Freunde machen und alte womöglich ebenfalls vergrämen. Fingerabdrücke für Touristen, so die Frontfrau eines Moskauer Tourismus-Unternehmens, sei Gift für ein Land wie Russland, das bei Ausländern derzeit so beliebt sei wie Jamaika.
In der Tat: Auf dem Travel and Tourism Competitiveness Index (TICI), der die Wettbewerbsfähigkeit in 141 Staaten abbildet, gehört Russland bei Sehenswürdigkeiten und Natur zur Spitzengruppe, landet bei der Gesamtwertung aber ziemlich weit abgeschlagen. Der Grund: Das umständliche und zeitaufwendige Prozedere für den Sichtvermerk. Das, heißt es beim Verband russischer Reiseveranstalter, würde sich nur antun, wer viel Zeit hat. Die meisten Russland-Besucher sind daher im reiferen Alter. 2013 waren es gerade mal 18,6 Millionen, 2014 noch ein Drittel weniger. Fingerabdrücke, ahnt die Verbandssprecherin, könnten da noch mal 30 Prozent abschrecken. Russland sollte daher von Georgien oder der Ukraine lernen. Um dem Fremdenverkehr auf die Füße zu helfen, hätten beide auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit verzichtet. Grenzer stempeln Touristen aus der EU das Visum einfach bei der Einreise in den Pass, ohne Papierkrieg.
Bis März 2014 profitierte davon auch die Krim. Besorgt um das Wohl der Hotellerie - derzeit einziger Steuerzahler -, wollten die Behörden dort auch nach dem Russland-Beitritt mit Sonnenhungrigen wie bisher verfahren, bissen damit aber bei Präsident Wladimir Putin auf Granit. Buchungen ausländischer Krim-Besucher gingen so um 70 Prozent zurück. Dafür stellte der Kremlchef Partnern Russlands, vor allem den BRICS-Staaten, den schnell wachsenden Schwellenländern, Einreiseerleichterungen in Aussicht - vor allem China, das mit drei Millionen Besuchern pro Jahr schon jetzt den Rekord hält, dicht gefolgt von Südkorea. Besucher aus beiden Ländern, lobt eine Fremdenführerin, seien konsumfreudig, pflegeleicht und ließen sich von Negativpropaganda so wenig einschüchtern wie die krisengestählten Israelis.
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