Ramelow fordert getrennte Unterkünfte
Ausschreitungen in Flüchtlingsheim in Suhl / Gegen die Einquartierung von Flüchtlingen demonstrierten im sächsischen Heidenau 300 Menschen
Update 14.50 Uhr: Überbelegung in Flüchtlingsheim verantwortungslos
Suhls Oberbürgermeister Jens Triebel (parteilos) hat die Landesregierung aufgefordert, die Überbelegung des Flüchtlingsheims in Suhl zu beenden. Dass in der Erstaufnahmeeinrichtung statt der maximal vorgesehenen 1200 Flüchtlinge jetzt 1800 untergebracht seien, halte er für verantwortungslos, sagte Triebel am Donnerstag. »Wir müssen runter von dieser Zahl.« Der Gewaltausbruch in der Nacht zu Donnerstag mit 14 Verletzten habe gezeigt, wie schnell die Situation in dem aus mehreren Wohnblocks bestehenden Heim eskalieren könne.
Es sei auch nicht akzeptabel, dass Flüchtlinge bis zu zwei Stunden an der Essensausgabe anstehen müssten, sagte der Kommunalpolitiker. Es würden schnell pragmatische Lösungen für die zusätzliche Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen gebraucht. Triebel bezeichnete es als unerträglich, dass rechte Gruppierungen schon jetzt mit einem Demonstrationsaufruf versuchten, die Vorfälle in dem Heim zu instrumentalisieren.
Update 14.20 Uhr: Ramelow spricht sich für getrennte Unterbringung aus
Nach den Ausschreitungen in einer Flüchtlingsunterkunft im thüringischen Suhl hat sich Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) im Interview mit MDR Info für getrennte Flüchtlingsunterkünfte für verschiedene Ethnien ausgesprochen. Nur so ließen sich Gewaltausbrüche wie dieser verhindern. Um den Druck abzubauen, seien in den vergangenen Tagen Flüchtlinge in drei Ausweichquartieren untergebracht worden. Er könne verstehen, wenn bei hochtraumatisierten Menschen die Emotionen hochkochten, sobald verschiedene Ethnien und religiöse Gruppen aufeinanderträfen, sagte Ramelow. Er toleriere aber nicht, wenn jemand einen Koran zerreiße und in die Toilette werfe, wie dies zuvor berichtet worden war.
Bei den Ausschreitungen in Suhl waren mindestens zehn Heimbewohner und vier Polizeibeamte verletzt worden. Auch das Mobiliar der Erstaufnahmeeinrichtung und sechs Polizeiautos wurden bei dem Streit in der Nacht zum Donnerstag beschädigt, wie die Polizei mitteilte. Anwohnern zufolge wurden Fensterscheiben eingeschlagen und Möbel aus dem Fenster geworfen. Auch die Zentrale des privaten Wachdienstes wurde völlig demoliert.
Nach Angaben der Polizei beruhigte sich die Lage im Tagesverlauf wieder. Die Schäden aus der Nacht waren jedoch deutlich sichtbar. Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) wollte sich am Donnerstag in Suhl über die Lage informieren.
Auslöser des Streits am Mittwochabend war laut Polizei wohl eine Auseinandersetzung mit einem Heimbewohner, der den Koran beleidigt haben soll. Der Asylbewerber sei zunächst von rund 20 anderen Heimbewohnern verfolgt worden, weil er angeblich mit dem Koran unflätig umgegangen war. Später beteiligten sich etwa 50 Flüchtlinge an dem Streit, weitere 50 sollen zugeschaut haben. Der verfolgte Heimbewohner wurde nach Angaben des thüringischen Innenministeriums zur eigenen Sicherheit in Schutzgewahrsam genommen.
Die Polizei war zunächst nur mit Suhler Beamten im Einsatz, die wegen der großen Zahl der Angreifer aber überfordert waren. Sie mussten sich zurückziehen und auf Verstärkungseinheiten aus Erfurt warten. In der Nähe des Heims wurden Zelte zur Versorgung von Verletzten aufgebaut.
Im Suhler Flüchtlingsheim war es in den vergangenen Wochen schon zu Auseinandersetzungen gekommen. In der Unterkunft wurden bis zu 1800 Menschen einquartiert, ausgelegt ist sie allerdings für maximal 1200.
Update 12.00 Uhr: Fremdenfeindlicher Protest gegen Notunterkunft in Baumarkt
In Sachsen sollen bis zu 600 Flüchtlinge in einem ehemaligen Baumarkt untergebracht werden. Vor dem Gebäude in Heidenau bei Pirna protestierten am Mittwochabend rund 300 Menschen gegen die Pläne, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Die »Sächsische Zeitung« berichtet von 400 Demonstranten. Zudem soll die Kundgebung von der NPD organisiert worden sein. Die ersten rund 250 Flüchtlinge sollen dort ab Freitag einquartiert werden. Nach Angaben der zuständigen Landesdirektion Sachsen soll der frühere Baumarkt in den nächsten Tagen zur Aufnahme weiterer Asylsuchender umgerüstet werden.
Das Gebäude soll als Notunterkunft für Flüchtlinge dienen, die neu nach Sachsen kommen. Alle bisherigen Erstaufnahmeeinrichtungen des Freistaates seien bereits an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt, hieß es. Erst am Dienstagabend musste eine provisorische Zeltstadt für Flüchtlinge in Chemnitz wegen Überflutungen geräumt werden. Mehr als 400 Menschen wurden anderweitig untergebracht.
Die Behörde rechnet damit, dass alle verfügbaren Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen bis zum Wochenende belegt sind. Jeden Tag erreichen den Angaben zufolge zwischen 200 und 300 neue Asylbewerber Sachsen. 6.100 Menschen sind dort derzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Agenturen/nd
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