Schere unterm Basecap

Von Velten Schäfer

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Gewerkschaften in den USA sind harten Attacken ausgesetzt, auch aus der Politik. So bot der Gouverneur von Tennessee dem Autobauer VW 300 Millionen an Subventionsdollars an, wenn im VW-Werk in Chattanooga kein Betriebsrat gewählt wird. Und tatsächlich ist der amerikanische Standort der Wolfsburger bis heute das einzige VW-Werk weltweit, in dem es keinen Betriebsrat gibt. Besiegelt wurde diese Sonderstellung 2014 von den Arbeitern, die knapp gegen einen Betriebsrat stimmten - auch wenn der Ausdruck »Entscheidung« wohl zu relativieren ist.

Denn in dem Land, das sich als Erfinder der Demokratie feiert, endet dieselbe am Werkstor. Und dies wird selbst dann politisch durchgesetzt, wenn Betriebe den Gewerkschaften gar nicht so feindlich gegenüberstehen. In Chattanooga etwa griff der republikanische Senator des Bundesstaates mit dreisten Lügen in den »Wahlkampf« ein. Obwohl die lokale Werksleitung des Mitbestimmungsweltmeisters Volkswagen dementierte, behauptete Bob Corker, die Entscheidung über eine neue Produktionslinie sei an ein Nein zur UAW geknüpft. Am Ende fehlten der Autogewerkschaft 44 Stimmen. Das für sie zentrale Projekt, sich auch in amerikanischen Werken ausländischer Firmen zu organisieren, war gescheitert.

Warum aber glaubten die Beschäftigten eher einem rechten Senator als ihrem Chef? Eine Rolle könnte dabei gespielt haben, dass sich amerikanische Arbeitnehmer offenbar kaum mehr ein Unternehmen vorstellen können, dass nicht alles dafür täte, Gewerkschaften zu schneiden und Betriebsräte zu behindern. Die Schwäche der US-Gewerkschaften ist nicht nur in einem feindlichen Umfeld begründet, sondern basiert auch auf einer Schere in den Köpfen unter den Basecaps. Auf einer Hegemonie gegen das eigene Interesse - ähnlich wie bei der Gesundheitsreform, gegen die oft gerade die opponierten, die sie am nötigsten hatten.

Dabei waren kooperativere Arbeitsbeziehungen einmal ein amerikanisches Erfolgsmodell. Der »New Deal« von Präsident Franklin D. Roosevelt, der das Land aus der albtraumhaften Großen Depression führte und den »American Dream« für Jahrzehnte real machte, beinhaltete nicht zuletzt eine Stärkung der Gewerkschaften.

Genau mit diesem Argument hatten dieselben nach der Krise von 2008 denn auch den »Employee Free Choice Act« vorgelegt - eine Initiative, die es Gewerkschaften erleichtert hätte, sich betrieblich zu organisieren. Im Angesicht des Abgrundes, den die Pleite von Lehman Brothers aufgezeigt hatte, war das Gesetz zunächst von Abgeordneten beider Parteien befürwortet worden. Inzwischen aber ist der EFCA als nationales Gesetz stillschweigend beerdigt, während das Land auf die nächste Börsenblase zusteuert.

Auch das gehört zur durchwachsenen Bilanz der Regentschaft des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

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