Rechter Terror auch in Nauen
Sporthalle am Dienstagmorgen ausgebrannt, bevor Flüchtlinge einziehen konnten
»Das ist rechter Terror. Anders kann man das nicht bezeichnen«, sagte die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (LINKE) am Dienstag. Mittlerweile stand die Sporthalle des Oberstufenzentrums Havelland in Nauen nicht mehr in Flammen. Aber Johlige war seit 7.30 Uhr vor Ort. Sie hat die Feuerwehrleute noch beobachtet. 60 Kameraden waren mit 16 Löschfahrzeugen im Einsatz. Die Feuerwehr wurde am Dienstagmorgen um 2.22 Uhr alarmiert. Sie war bereits zwölf Minuten später an der Sporthalle, die aber schon »lichterloh« brannte, wie Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) später erklärte. Daher habe die Feuerwehr entschieden, das Gebäude kontrolliert abbrennen zu lassen.
Der Landkreis Havelland wollte in der Sporthalle vorübergehend mehr als 100 Flüchtlinge unterbringen. Die ersten Menschen sollten im September, also in den nächsten Tagen einziehen. »Es handelt sich vermutlich um vorsätzliche Brandstiftung«, sagte der Innenminister. Ein technischer Defekt sei höchst unwahrscheinlich, hieß es.
»Sollten die Ermittlungen einen fremdenfeindlichen Anschlag belegen, werden Polizei und Justiz alles daran setzen, der Täter habhaft zu werden und sie einer gerechten Strafe zuzuführen«, versprach Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) umgehend. Ob Ausländerhetze und tätliche Angriffe wie in Heidenau oder Brandstiftung in Nauen, derartige Aktionen seien beschämend. »Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie und einen Aufstand der Anständigen.« Woidke appellierte an die Einwohner Brandenburgs: »Setzen Sie Zeichen der Mitmenschlichkeit. Distanzieren Sie sich vom fremdenfeindlichen Mob!«
CDU-Landtagsfraktionschef Ingo Senftleben sprach von einem »Anschlag auf Brandenburg und das friedvolle Leben«. Er forderte, die Verantwortlichen zügig zu ermitteln und »mit der ganzen Härte des Gesetzes« zu bestrafen. Zwar stelle die Aufnahme von Flüchtlingen das Bundesland und seine Bürger derzeit vor große Herausforderungen. Die Sorgen und Nöte »dürfen von der Politik nicht ignoriert, sondern müssen ernst genommen werden«. Defizite im Asylverfahren seien jedoch keine Rechtfertigung für fremdenfeindliche Hetze und Gewalt.
Finanzminister Christian Görke (LINKE) schaute sich am Tatort um. Er warf den Brandstiftern vor, das Leben von Feuerwehrleuten und Anwohnern zu gefährden und in Kauf zu nehmen, dass dem Oberstufenzentrum nun auf absehbare Zeit die Sporthalle fehlen werde.
Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD) zeigte sich tief betroffen. »Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher«, sagte er. Fleischmann weiß natürlich von der rassistischen Hetze im Internet und von den Neonazis, die mehrmals in der Stadt aufmarschierten, um gegen den geplanten Bau eines Asylheims am Waldemardamm Stimmung zu machen. Schließlich hat Fleischmann selbst an Gegendemonstrationen teilgenommen. Besondere Aufmerksamkeit hatte ein Vorfall im Februar erregt. Damals hatten randalierende Neonazis und aufgewiegelte Bürger eine Sitzung des Stadtparlaments gesprengt, auf der über den Verkauf des Grundstücks am Waldemardamm entschieden werden sollte - eine Voraussetzung für die Einrichtung des Asylheims mit 250 Plätzen. Die Stadtverordneten hatten die Abstimmung verschieben müssen.
Auch die Serie von Anschlägen auf die Geschäftsstelle der Linkspartei in Nauen ist dem Bürgermeister bekannt. Immer wieder wurden Fensterscheiben zerstört und die Fassade wurde besudelt und beschmiert. In den vergangenen Wochen sei es aber eher ruhig gewesen, nachdem die Täter gefasst worden waren, die mehrere Anschläge auf verschiedene Parteibüros verübt hatten, sagte Fleischmann. Direkt betroffen war die Landtagsabgeordnete Johlige, denn in der Parteigeschäftsstelle in der Nauener Altstadt befindet sich ihr Wahlkreisbüro. Zu dem Anschlag auf die Sporthalle sagte Johlige: »Das ist furchtbar. Ich bin fassungslos. Wir werden so etwas nur verhindern, wenn wir ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem so etwas geächtet wird.«
Im Internet verkündete die Facebook-Gemeinschaft »Nein zum Heim in Nauen«, dass die Sporthalle ausbrannte, helfe nicht: »Sie werden nun die Flüchtlinge dennoch unterbringen irgendwo im Havelland und mehr Geld bereitstellen. Leider auch, wenn es kein Brandanschlag war.« Ein Jugendlicher schrieb daraufhin den Kommentar: »Die Betreiber dieser Seite tragen durch die Verbreitung ihrer Hetze eine Mitschuld an diesem Verbrechen.« Tatsächlich werden Flüchtlinge auf der Facebookseite verzerrend als Menschen vorgestellt, die nach Deutschland kommen, um in betrügerischer Absicht Geld abzukassieren, ihre Unterkünfte zu verunreinigen und Senioren zusammenzuschlagen.
Für Empörung sorgte AfD-Landtagsfraktionschef Alexander Gauland, der rechtfertigend sagte: »Wären die Bürger einbezogen worden und hätten sie das Gefühl, dass nicht nur sie und die Kommunen gefordert werden, sondern auch die Politik auf Bundes- und Landesebene alles tut, um der Situation Herr zu werden, ließen sich Reaktionen wie jetzt in Nauen sicherlich verhindern.« Grünen-Fraktionschef Axel Vogel nannte Gauland einen geistigen Brandstifter.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.