»Wir haben rechtzeitig die Kurve gekriegt«
GDL-Chef Claus Weselsky über die zähen Tarifverhandlungen mit der Bahn und den Ausschluss seines Vorgängers
94 Prozent Ihrer Mitglieder haben dem Schlichterspruch im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn zugestimmt. Offenbar ist die Basis zufrieden mit dem Erreichten ...
Ja, ich werte diese hohe Zustimmung als klares Zeichen aus der Mitgliedschaft, das einerseits den Vorstand stärkt und andererseits die tarifpolitische Zielsetzung begrüßt. Schließlich ging es nicht nur um den Schlichterspruch, sondern auch um die Schaffung vollkommen neuer Tarifvertragsstrukturen. Das hatten wir bereits erzwungen, bevor wir in die Schlichtung gegangen sind, nämlich einen Flächentarifvertrag für alle Beschäftigtengruppen, die im Wettbewerb draußen stehen.
Die Vereinbarung sieht auch vor, dass das umstrittene Tarifeinheitsgesetz, das kleinere Gewerkschaften wie die GDL kaltstellen würde, bis 2020 bei der Bahn nicht zur Anwendung kommt. War der Konzern nicht bereit, ganz auf die Umsetzung zu verzichten?
Nein, die Bahn war im Prinzip am Anfang zu gar nichts bereit und hat darauf spekuliert, dass das Tarifeinheitsgesetz uns praktisch überflüssig machen würde. Deswegen haben sie ja so auf Zeit gespielt. Wir haben rechtzeitig die Kurve gekriegt. Somit wurde die Verpflichtung der Bahn, das Tarifeinheitsgesetz nicht auf uns anzuwenden, zu einem Teil des Schlichtungsspruchs
Die Verpflichtung gilt nur bis 2020?
Richtig.
Könnte die Bahn dann erneut versuchen, die kleine GDL loszuwerden?
Für meine Begriffe ist das ein vollkommen ausreichender Zeitraum, weil bis dahin bestimmt feststeht, ob das Tarifeinheitsgesetz verfassungsrechtlichen Bestand hat, was wir bezweifeln.
War es das Ringen um die Tarifeinheit, das die Verhandlungen so schwierig machte? Der SPD-Politiker Matthias Platzeck, der neben Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (LINKE) als Schlichter fungierte, sagte später, die Verhandlungen seien nichts für zartbesaitete Gemüter gewesen ...
Das Problem war, dass wir vorher der Bahn die Zusage abgetrotzt hatten, Tarifverträge für alle Berufsgruppen abschließen zu können. In der Schlichtung stellte die Bahn das Ganze plötzlich wieder in Frage.
Wieso stemmte sich der Staatskonzern so vehement dagegen?
Im Kern ging es um die von uns geforderte Arbeitszeitverkürzung auf 38 Stunden für die von der GDL vertretenen Gruppen, also Lokführer, Lokrangierführer, Zugbegleiter und Disponenten. Diese Vereinbarung könnte im gesamten Konzern den Weg frei machen für die 38-Stunden-Woche, wenn die zweite Einbahngewerkschaft EVG die Tarifabschlüsse nachzeichnet. An diesem Punkt wäre die Schlichtung dann auch fast geplatzt.
Ihr Vorgänger im Amt, Manfred Schell, hatte Ihren harten Kurs beim Streik im Frühjahr scharf kritisiert. Am Montag wurde bekannt, dass er wegen nicht gezahlten Mitgliedsbeiträgen und gewerkschaftsschädigendem Verhalten aus der GDL ausgeschlossen wurde. Wird hier ein Kritiker abserviert?
Nein, er hat mehr als 3000 Euro an Tantiemen aus Aufsichtsratsmandaten erhalten. Diese sind aber kein Privatvermögen, sondern an die GDL abzuführen. Da kann der erzählen, was er will - das ist Satzungsrecht. Somit wäre es seine Pflicht als Mitglied, den Beitrag zu bezahlen. Zudem hat Schell nichts unversucht gelassen, um die GDL zu diskreditieren. Er meinte zwar immer, er wolle mit seiner Kritik nur mich treffen, um zu erreichen, dass ich meinen Hut nehmen muss, aber er hat der GDL schwer geschadet.
Warum wurde Schell Ihr schärfster Kritiker? Schließlich wurden Sie 2008 noch mit seiner Zustimmung zum GDL-Chef gewählt?
Auslöser war die Abwahl des damaligen GDL-Vizevorsitzenden Sven Grünwoldt im April 2013, nachdem dieser ein erneutes Darlehen von der GDL für seinen privaten Hausbau beantragt hatte. Ich stimmte gegen diesen Angriff auf das GDL-Vermögen.
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