Zwei Perspektiven für die Braunkohle
Umweltschützer fordern in Cottbus den Stopp der Planungen für den Tagebau Jänschwalde-Nord
Solange es an Stromleitungen und Speicherkapazitäten für Solar- und Windenergie mangelt, könne Deutschland auf die heimische Braunkohle nicht verzichten, meint Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Zwar sei Brandenburg bundesweiter Spitzenreiter bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, betonte Gerber am Donnerstag beim alljährlichen Energietag in Cottbus, bei dem mehr als 300 Teilnehmer über die Rolle der Lausitzer Braunkohle diskutierten. »Aber gerade weil wir Vorreiter sind, stoßen wir auch früher als andere an die Grenzen der deutschen Energiewendelogik, die viel zu lange eine reine Zubaulogik war«, sagte Gerber. Viel zu lange seien Windräder und Solarmodule gebaut worden, ohne über Transport und Speicherung des Ökostroms nachzudenken.
Im Hause von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) war zwischenzeitlich eine Kohleabgabe erwogen worden, um den Kohlendioxidausstoß deutlich zu reduzieren. Doch Gabriel rückte von diesem Plan ab, nachdem sich Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg sowie die Gewerkschaft IG Bergbau-Chemie-Energie dagegen gestemmt hatten. Stattdessen sollen die Kohlekraftwerke um 2,7 Gigawatt gedrosselt werden.
Die Hartnäckigkeit, mit der Brandenburg gegen den »Strafbeitrag für Braunkohlekraftwerke« gekämpft habe, »hat sich gelohnt«, versicherte Gerber. Er appellierte an den Energiekonzern Vattenfall, die Verhandlungen zum Verkauf seiner Braunkohlesparte zügig zu einem guten Ende zu führen. Denn: »Die Menschen und die Unternehmen in der Lausitz brauchen eine verlässliche Perspektive und Planungssicherheit.«
Eine andere Perspektive wünschen sich Umweltschützer und Einwohner der Dörfer, die dem Tagebau Jänschwalde-Nord weichen sollen. Einige von ihnen postierten sich am Donnerstag vor dem Tagungsort. Sie hielten ein Transparent hoch: »Schluss mit den Ausreden: Tagebau Jänschwalde-Nord stoppen!«
Der Tagebau sollte ursprünglich ein neues und vermeintlich sauberes Braunkohlekraftwerk mit Brennstoff beliefern. Bei der Stromerzeugung in dem neuartigen Kraftwerk sollte das entstehende Kohlendioxid per CCS-Technologie abgeschieden und tief in den Boden verpresst werden. Um die Landtagswahl 2009 herum hatte der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) behauptet, dass es ohne die umstrittene CCS-Technik keine neuen Tagebaue geben werde. Davon war dann aber später plötzlich keine Rede mehr.
Seit Vattenfall im Dezember 2011 das Projekt einer CCS-Pilotanlage fallen ließ, gebe es keine logische Begründung mehr für den Tagebau Jänschwalde-Nord, erklärte Roland Lehmann, Ortsbürgermeister des bedrohten Dorfes Kerkwitz. »Wir lassen uns nicht auf die Evaluierung der Energiestrategie des Landes vertrösten«, schimpfte Lehmann. René Schuster von der Grünen Liga ergänzte: »Es ist unerträglich, wie die Landesregierung auf dem Rücken der Bürger pokert.«
Die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky (Grüne) erwartet, dass im Zuge der Drosselung der Kohlekapazitäten auch Kraftwerksblöcke in der Lausitz abgeschaltet werden müssen. Damit sei das »ohnehin wacklige Kartenhaus« an Argumenten, die für neue Tagebaue angeführt werden, »endgültig in sich zusammengefallen«.
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