Die Chance, einen anderen Ton anzuschlagen

Ein Einwanderungsgesetz muss langfristig dazu dienen, legale Wege der Migration zu ermöglichen, meint Carolin Wiedemann .

  • Carolin Wiedemann
  • Lesedauer: 3 Min.

Von einer Welt, in der Bewegungsfreiheit für alle gilt, scheinen wir noch weit entfernt. Wer auf welche Weise nach Deutschland kommen darf, regelt aktuell ein Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern. Schon die Formulierung sagt aus, um was es hier geht: Abschreckung. Endlich scheint die Einführung eines Einwanderungsgesetzes wahrscheinlich, das eine gegenteilige Botschaft vermitteln und Einwanderung bewerben könnte. Endlich wäre es für Nicht-EU-Bürger_innen unabhängig vom Asylrecht möglich, nach Deutschland zu ziehen, eine Ausbildung zu absolvieren, berufstätig zu werden, hier zu leben.

Der Grund dafür, dass selbst CDU-Politiker_innen dies nun fordern, liegt nicht an einer plötzlichen Einsicht in strukturell bedingte Ungleichheit: Wer Teil des Staatsvolkes werden darf, bemisst sich in den Vorschlägen der Politik am Gewinn, den die migrierende Person für den deutschen Staat und seine Volkswirtschaft bedeutet. Doch es wäre falsch, sich aus Ekel vor dem Effizienzrassismus gegen ein Einwanderungsgesetz zu stellen. Man muss die Win-Win-Argumentation bedienen, um wenigstens einem Teil derer, deren Migration heute als illegal gilt, legalen Zugang zu verschaffen.

Ein Einwanderungsgesetz sollte Teil einer Neuregelung des Gesamtkonzepts Migration nach Deutschland werden. Die aktuelle Situation für Asylbewerber_innen sowie Migrant_innen, die nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, ist nicht hinnehmbar: Die Menschen müssen ihr Leben riskieren, ihr Hab und Gut verscherbeln, um überhaupt nach Deutschland zu kommen. Dort beantragen sie fast alle Asyl, denn das ist auch für diejenigen, die den Kriterien des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) nicht entsprechen - und das vielleicht wissen -, der einzige Zugang ins Land. Sie landen in überfüllten Erstaufnahmestellen, werden umverteilt in Flüchtlingsheime, warten unter menschenunwürdigen Bedingungen auf ihre Verfahren. Diejenigen, die kein Recht auf Asyl haben, können durch eine Neuregelung inhaftiert werden in Abschiebegefängnisse, wohin sie, gemäß einer weiteren Neuregelung, gleich die Erstaufnahmestellen senden können. Ein Einwanderungsgesetz muss diese Szenarien ändern.

Doch sind die Vorschläge dazu vielseitig. Unmenschlich und überflüssig wäre, Asylsuchende zuerst abzuschieben und ihnen dann die Chance zu geben, legal als Arbeitskraft einzuwandern. Sie könnten stattdessen gleich nach der Ablehnung des Asylantrags als Arbeitskraft vermittelt werden. Gegebenenfalls müssten sie gar nicht erst Asyl, sondern könnten in der Erstaufnahmestelle gleich die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt oder sofort beides beantragen: Asyl und Einwanderung. Bisher schließen sich Schutzbedürftigkeit und Arbeitsmarktverstärkung aus. Doch meist wollen und können auch diejenigen, denen Asyl zusteht, sehr wohl arbeiten. Ein Einwanderungsgesetz kann so die Situation all derer, die bereits in Deutschland angekommen sind, verbessern.

Langfristig muss es vor allem dazu dienen, legale Wege der Migration zu ermöglichen. Dafür sollten deutsche Botschaften in aller Welt so ausgestattet werden, dass sie nicht nur Botschaftsasyl vergeben können, sondern mit den Arbeitsagenturen in der Bundesrepublik zusammenarbeiten und gleich die Vermittlung in den Arbeitsmarkt übernehmen können.

Ein Einwanderungsgesetz kann auch für »Balkan-Flüchtlinge« eine Erleichterung verschaffen. Unsäglich ist, dass ihre Anträge zum Teil kollektiv abgelehnt werden mit dem Verweis auf die »sicheren Herkunftsstaaten« und ihnen so die Einzelfallprüfung verwehrt bleibt. Aus Kosovo etwa fliehen viele Menschen aus Gründen, die das UNHCR anerkennt - hier werden sie als »Armutsmigranten« stigmatisiert. Gerade Deutschland müsste Schutz bieten, wegen der historischen Verantwortung gegenüber Sinti und Roma und wegen der Beteiligung am Kosovo-Krieg, unter dessen Folgen die ganze Region leidet. Unabhängig davon kann ein Einwanderungsgesetz ihnen ermöglichen, über den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Fuß zu fassen.

Kritiker sagen, es gäbe bereits Wege für Arbeitsmigrant_innen, die EU-BlueCard etwa. Dass die an Bedingungen geknüpft ist, die kaum jemand erfüllen kann, passt zur Botschaft, die das deutsche Gesetz Migrant_innen bislang vermittelte. Jetzt gibt es die Chance, einen anderen Ton anzuschlagen.

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