Mit dem Cop durch die Wand
Wegen Polizei-Fehler prallen in Dortmund Nazis auf Flüchtlingsfreunde
Der Polizeieinsatz war eine Herausforderung, wie immer, wenn die in punkto Krawallmacherei äußerst kreative Pseudo-Partei »Die Rechte« involviert ist. Für zwei Uhr in der Nacht und kurzfristig hatten die Nazis ihren Protest angemeldet. Sie wollten »einen Kontrast zum Bild der ›Willkommenskultur‹« herstellen. Anlass war die erwartete Ankunft eines aus Ungarn kommenden Zuges mit rund 1000 Flüchtlingen. Der »Train of Hope« (»Zug der Hoffnung«) wurde in der Westfalen-Metropole von einer Welle der Unterstützung und mit Jubel begrüßt.
Die Polizei Dortmund wollte diesmal erkennbar alles richtig machen: Die Nazis ließ sie nicht im Bahnhof protestieren, damit sie nicht auf die Flüchtlingsunterstützer prallen, die drinnen mit Decken und Lebensmitteln warteten, sondern draußen vor dem Bahn-Gebäude. Auch versagten die Uniformierten den Nazis den denkbaren Marsch durch das nächtliche Dortmund im Anschluss an die Kundgebung.
Stattdessen sollten die Nazis in die S-Bahn verfracht werden, auf dass diese sie sang- und klanglos nach Hause bringe. »Wesentliches Ziel war, die Abreise der Rechtsextremen schnellstmöglich und vor der Ankunft der Flüchtlinge zu beenden«, heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei. Gute Idee - aber die Umsetzung!
Denn statt die 40 Nazis zügig über die breite Bahnhofsaußentreppe zum S-Bahnsteig zu geleiten, wählten die Cops den Weg durch die Bahnhofshalle, wo hunderte Flüchtlingsunterstützer standen. Mit 40 Nazis durch die Menschenmenge: Man muss nicht an der Polizei-Führungsakademie Hiltrup studiert haben, um zu erahnen, dass das nicht gut gehen konnte.
Selbst höhere Beamte der Bundespolizei, die eigentlich für die Sicherheit im Bahnhof zuständig ist, sollen nicht begeistert gewesen sein von der kollegialen »Hilfe« - so berichtet es neben anderen auch die Tageszeitung »Die Welt«. Die Nazis seien »ausdrücklich gegen die Empfehlung« der Bundespolizei in den Bahnhof gelassen worden, so das Blatt. Verantwortlich dafür sei die Polizei Dortmund.
Es kam, wie es kommen musste: Im Inneren des Bahnhofs entstand schnell ein »Schlagabtausch« zwischen rund 30 Nazis und in etwa gleich vielen Nazi-Gegnern. »Ohne irgendetwas rechtfertigen zu wollen: Nach ihrem wirklich dummen Fehler konnte die Polizei nur noch mit Gewalt auf das entstehende Chaos reagieren«, analysiert jemand, der das Geschehen hautnah mit- und einen Faustschlag abbekam.
Dass »Die Rechte« äußerst nahe stehende Webportal »DortmundEcho« berichtet derweil vom »beherzte(n) Eingreifen einiger Aktivisten, … wobei der ein oder andere Kamerad großzügig von seinem Notwehrrecht Gebrauch machte«. Die Leser der Online-Postille verstehen die gewaltverharmlosende Ironie und heißen die Gewalt gut, das wird in den Kommentarspalten deutlich.
Dortmunds Polizei betont derweil die angeblichen Attacken von Nazi-Gegnern auf Nazis und Polizisten. »Die Gewalttäter versuchten ..., die Abreise der Rechtsextremisten zu verhindern«, wird in einer Pressemitteilung behauptet. In dieser Logik wären Flüchtlingsunterstützer darauf erpicht, sich in unmittelbarer Nähe von Nazis aufzuhalten, die als gewaltaffin bekannt sind.
Jetzt wird der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages wohl einen weiteren Polizeieinsatz aufarbeiten müssen. Und auch die Bundesregierung muss sich mit der verunglückten Aktion beschäftigen - dank einer Kleinen Anfrage des Linke-Bundestagsabgeordneten Niema Movassat: »Hat sich die Bundespolizei am Standort Dortmund am 06.09.2015 intern gegenüber der Landespolizei NRW dafür ausgesprochen, die Abfahrt der Versammlungsteilnehmer der Partei ›Die Rechte‹ nicht über den Dortmunder HBF zu organisieren bzw. hat sie irgendeine Form von Bedenken geäußert …?«, will der LINKE-Politiker wissen.
Laut Movassat, der vor Ort war, verzichtete die Polizei auf verbale Kommunikation, schubste die im Wege stehenden Flüchtlingsunterstützer weg und setzte auch Pfefferspray ein - im geschlossenen Raum. Zudem seien Polizeihunde eingesetzt worden, und zwar ohne Maulkorb. Laut Movassat wurden dadurch drei Personen verletzt. »Der Einsatz der Polizei war unverhältnismäßig, er wirkte unkoordiniert und hektisch. Die Beamten wirkten überfordert und dadurch gereizt«, resümiert der Abgeordnete.
Das deckt sich mit den Berichten anderer Augenzeugen, mit denen »nd« sprach. Am Schluss wurden die Nazis dann doch über die Außentreppe zum S-Bahnsteig geführt, auf der sich aber zwischenzeitlich Nazi-Gegner eingefunden hatten.
Parallel zu der Nazi-Kundgebung wurde ein Brandanschlag auf ein Dortmunder Schulgebäude verübt, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden soll. Die Polizei geht derzeit von einer einer vorsätzlichen Brandlegung aus. Rund 40 Dortmunder Nazis haben für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi.
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