CDU hat Angst vor Krätze

Landtag Niedersachsen: Sondersitzung zur Flüchtlingshilfe - Union: Zu geringe Abschiebequote

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 75 000 Flüchtlinge werden im laufenden Jahr nach Niedersachsen kommen. Was wurde dort für diese Menschen getan, was gilt es zu verbessern? Diese Fragen beherrschten eine Landtagssondersitzung.

»Durch diese Sondersitzung wird kein zusätzlicher Aufnahmeplatz geschaffen und kein zusätzlicher Flüchtling untergebracht und versorgt«. Schon in der ersten von rund zwölf Stunden sprach SPD-Fraktionschefin Johanne Modder diesen Satz, der auch als Fazit unter der außergewöhnlich langen Zusammenkunft des Landtages am Donnerstag hätte stehen können.

Wohlgemeinte Dankesworte an alle, die Flüchtlingen helfen, wechselten mit dem Rühmen eigener Leistungen und gegenseitigen Vorwürfen. Der Wunsch der Grünen-Fraktion, das Plenum möge Geschlossenheit zeigen, weil sich »die aktuelle Flüchtlingstragödie« nicht für politische Stimmungsmache eigne, wurde nicht erfüllt.

Dafür sorgte schon CDU-Fraktionschef Björn Thümler, als er hämte: Mit ihrem am 1. September gestellten Antrag auf die Sondersitzung habe es die Union geschafft, dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) »endlich aufgewacht« sei in puncto Flüchtlingshilfe. Offensichtlich bezog sich Thümler damit auf den zweiten Nachtragshaushalt, den das rot-grüne Regierungskabinett am Montag vorgelegt hatte. Die 300 Millionen Euro jenes Etats sind ausschließlich für die Flüchtlingsversorgung gedacht.

Den Löwenanteil bekommen die Kommunen für ihre Aufwendungen: 180 Millionen Euro als Soforthilfe. Für den Ausbau von Erstaufnahmeeinrichtungen sind 30 Millionen Euro veranschlagt, zehn Millionen für die Förderung von Flüchtlingskindern in Schulen. Sprachkursen für Erwachsene kommen fünf Millionen, der Flüchtlingssozialarbeit sechs Millionen Euro zugute.

Die Finanzierung des Ganzen bereite keine Schwierigkeit, erfordere keine zusätzlichen Kredite, heißt es aus der Staatskanzlei, denn: Die Steuereinnahmen im laufenden Jahr entwickeln sich besser als noch im Mai prognostiziert worden war.

Eine Fülle von Forderungen hatte die schwarz-gelbe Opposition mitgebracht. Vom sattsam bekannten Verlangen, das Land möge im Bundesrat für die Einstufung des Kosovo, Albaniens und Montenegros als sichere Herkunftsstaaten stimmen bis zu Plädoyer für eine »rasche und konsequente Rückführung« abgelehnter Asylbewerber.

Björn Thümler rechnete vor: Baden-Württemberg habe eine Rückführungsquote von 7,1 Prozent, in Nordrhein-Westfalen betrage sie 6,7, in Niedersachsen gerade einmal 3,2 Prozent.

Auch Ängste bewegen die CDU. Der »Islamische Staat«, so warnte Thümler, habe bereits angekündigt, Attentäter unter die Flüchtlinge zu mischen. Niedersachsen brauche ein Konzept, um mögliche »Schläfer« unter den Asylbewerbern identifizieren »und mögliche Gefahren minimieren« zu können.

Mit Sorge blickt die Union auch auf die Gesundheit der Flüchtlinge. Untersuchungen in den Aufnahmeeinrichtungen dauerten zu lange, moniert die Fraktion. Und es gebe dort zu wenig Gesundheitspersonal. »Die Verbreitung von Hautkrankheiten wie Krätze oder stark ansteckenden Krankheiten wie Masern, Röteln oder gar Tuberkulose wird dadurch begünstigt«, heißt es in einem CDU-Antrag zur Sondersitzung.

Begonnen hatte sie mit einer Regierungserklärung von Ministerpräsident Weil. Der schnelle Ausbau der Aufnahmeeinrichtungen habe höchste Priorität, betonte er. Die bestehenden Einrichtungen seien völlig überfüllt. Aber: »Bis zum Ende des Jahres sollten 16 000 Menschen in diesen Einrichtungen oder anderen winterfesten Unterkünften Aufnahme finden können«, versprach der Regierungschef.

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