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Moskau will kein zweites Libyen

Militärhilfe für Syrien »kein Geheimnis«

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Russland versucht eine neue Allianz gegen den IS-Terrorismus zu schmieden, hilft Syrien militärisch und tritt für Wahlen ein.

Wie immer bei unliebsamen Themen war Kremlsprecher Dmitri Peskow mit Russlands Vorgehen in Syrien schnell fertig. Es ging um westliche Medienberichte, wonach russische Truppen im syrischen Bürgerkrieg auf Seiten Baschar al-Assads mitmischen. Der Kremlsprecher sah keinen Kommentierungsbedarf: Das Außenamt habe alles gesagt, was dazu zu sagen sei.

Russland, so Außenminister Sergej Lawrow, habe aus seiner Militärpräsenz in Syrien nie ein Geheimnis gemacht. Russische Soldaten würden die syrische Armee beim Umgang mit russischen Waffen unterstützen. Eine personelle Aufstockung stehe derzeit nicht auf der Agenda. Derzeit. Denn Moskau werde verhindern, dass sich die Dinge in Syrien wie in Libyen entwickeln, wo »einige unserer westlichen Partner von der Idee besessen waren, ein ihnen nicht genehmes Regime zu stürzen«.

Moskau werde nicht nur Damaskus, sondern auch Irak und anderen Staaten der Region helfen, die »an vorderster Front gegen den Terrorismus« kämpfen. In Übereinstimmung mit russischem und internationalem Recht und ohne Vorbedingungen. Vermutungen, wonach Moskau zur Verstärkung seiner bereits in Syrien kämpfenden Bodentruppen Soldaten einfliegen lässt, kritisierte Lawrow als haltlos. Die Transporter hätten lediglich »Erzeugnisse von militärischer Zweckbestimmung im Rahmen der geschlossenen Verträge«, vor allem aber Hilfsgüter, an Bord.

Bulgarien sperrte dennoch den Luftraum, Iran öffnete dafür den seinen. Zusammen mit Teheran arbeitet Moskau auch an einem neuen Friedensplan für Syrien. Er sieht das Zusammenwirken der Streitkräfte von Macht und Opposition als Teile einer internationalen Koalition von Staaten des Westens und des Nahen Ostens im Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS) und gleichzeitig Neuwahlen in Syrien vor. Sie sollen unter UN-Kontrolle und mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft stattfinden. Details will Russlands Präsident Wladimir Putin Ende des Monats auf der UN-Vollversammlung vorstellen.

Der Westen und die meisten arabischen Staaten argwöhnen, Russland wie Iran wollten auf dem syrischen Feuer ihr eigenes Süppchen kochen. Denn ihr Einfluss auf Damaskus steht und fällt mit Assad. »Hirngespinste« nannte Kremlsprecher Peskow zu Wochenbeginn Meldungen, wonach Russland, die USA und Saudi-Arabien sich geheim auf einen Rücktritt Assads geeinigt haben, dieser für eine Übergangszeit jedoch die Geschäfte des Staatschefs weiterführen solle.

Moskau fürchte, nach Assad könnte der IS die Geografie seiner Aktivitäten weiter ausdehnen, glaubt auch Boris Dolgow vom Nahostinstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Das beträfe die muslimisch geprägten Ex-Sowjetrepubliken an Russlands Südgrenzen, den Nordkaukasus, aber auch Ägypten. Genau damit erklären auch andere Experten die derzeitigen russisch-ägyptischen Seemanöver im östlichen Mittelmeer. Direkt vor dem syrischen Hafen Tartus, wo Russlands Marine einen Stützpunkt unterhält.

Zwar haben Kairo und Moskau auch nach dem Bruderkuss von Staatschef Abdel Fattah as-Sisi für Putin bei dessen Besuch im Februar durchaus Differenzen beim Krisenmanagement im Nahen Osten. Das »antiwestliche« Ägypten, so Beobachter, sei jedoch der »natürliche Partner Russlands«. Der Kreml treibe die militärische Kooperation auch deshalb energisch voran, weil Alternativen für Tartus gebraucht werden. Bei einer Eskalation der Kämpfe oder einem Machtwechsel wäre der Stützpunkt futsch. Das würde dann Moskaus permanente Marinepräsenz im östlichen Mittelmeer akut gefährden. Die aber gehört zu den absoluten Prioritäten russischer Außen- und Verteidigungspolitik und gilt als kostengünstiger Weg für eine Wiederherstellung des russischen Einflusses im Nahen Osten wie in Südeuropa.

Russland möchte Syrien daher auch zum Testfall für die von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon geforderten »grundlegenden Veränderungen« bei weltweiten Blauhelmeinsätzen machen - mit ständigen mobilen Einheiten, die der konkreten Situation besser angepasst sind.

Wladimir Schamanow, Oberkommandierender der Luftlandetruppen, meldete schon im August volle Gefechtsbereitschaft unter Voraussetzung eines UN-Mandates und des Einsatzbefehls. Moskau schwebt ein Zusammenwirken mit den UN-Truppen auf den Golan-Höhen vor.

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