Franziskus treibt seine Friedensagenda voran
Gustavo Andújar Robles von der Erzdiözese Havanna: Kuba-Reise ist ein Zeichen, den Annäherungsprozess zu den USA weiter zu unterstützen
Die vergangenen drei Päpste sind alle nach Kuba gekommen. Warum dieses Interesse an Kuba?
Ich denke nicht, dass die Reisen von Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus nach Kuba deshalb stattfanden, weil Kuba bei den Päpsten oder beim Heiligen Stuhl ein besonderes Interesse hervorgerufen hätte. Ich glaube vielmehr, dass eine Reihe glücklicher Umstände diese Reisen ermöglicht haben. Als Johannes Paul II. nach Kuba gekommen ist, war dies das einzige lateinamerikanische Land, das er noch nicht besucht hatte.
Zum Besuch von Benedikt XVI. kam es weniger als zwei Jahre nach den außergewöhnlichen Gesprächen von Präsident Raúl Castro mit Kardinal Jaime Ortega und dem Präsidenten der Bischofskonferenz, Monseñor Dionisio García, die im Frühjahr 2010 zur Freilassung einer bedeutenden Anzahl von Gefangenen geführt hatten. Nun kommt Papst Franziskus, in dem er einer seit längerem geplanten Reise in die USA eine Etappe hinzufügt. Die Entscheidung, beide Besuche zu verbinden, passt perfekt zu der Dynamik der pastoralen Reisen, die der Heilige Vater bisher unternommen hat. Diese haben ihn in Länder und Regionen geführt, in denen er versucht hat, Friedensprozesse zu stärken oder wiederzubeleben, wie im Heiligen Land, oder jene zu unterstützen, die bereits Übereinkommen erzielt haben, wie Sri Lanka und den Philippinen. Aber eben auch den Annäherungsprozess zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten seit dem 17. Dezember 2014, der von Papst Franziskus selbst gefördert wurde. Das sind die Dynamiken, die dazu geführt haben, dass drei Päpste Kuba besuchen.
Gustavo Andújar Robles ist promovierter Chemiker. Er arbeitete mehr als 30 Jahre als Wissenschaftler im Bereich Lebensmittel, daneben machte er Karriere im Bereich Katholische Kommunikation. Seit 2007 ist er für die Erzdiözese Havanna tätig, wo er dem regierungsunabhängigen Kulturzentrum Centro Cultural Padre Félix Varela vorsteht. Papst Franziskus wird dort am Sonntagnachmittag mit 5000 kubanischen Jugendlichen zusammen kommen. Mit Robles sprach Andreas Knobloch.
Der Papst hat eine wichtige Rolle als Vermittler bei der Annäherung zwischen den USA und Kuba gespielt. Welche Bedeutung kann die Reise von Franziskus nach Kuba in diesem (historischen) Moment haben?
Laut Johannes Paul II. reist der Papst, »um das Evangelium zu verkünden, den Glauben seiner Brüder zu bestätigen, die Kirche zu trösten und mit den Menschen zusammen zu kommen«. Die Reise von Papst Franziskus nach Kuba wird, wie alle Papst-Reisen, dieselben Ziele haben. Der Umstand, dass der Heilige Vater, nach der Ankündigung eines Prozessbeginns hin zu einer Normalisierung der Beziehungen, den Besuch in Kuba zum Teil seiner Reise in die USA gemacht hat, verwandelt diesen Besuch darüber hinaus in ein Zeichen der Bereitschaft des Papstes, diesen Prozess aktiv zu unterstützen und dabei zu helfen, ihn zu einem glücklichen Ende zu führen. Auf einmal hat die Reise neue Nebenbedeutungen erhalten und sie reiht sich ein in vorherige Reisen, die dem entsprechen, was man eine »Friedensagenda« von Papst Franziskus nennen könnte. Obwohl er selbst seine Beteiligung an dem Prozess hin zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Kuba und den USA im Nachhinein heruntergespielt hat, ist es sehr auffällig, dass beide Präsidenten in ihren Ansprachen die positive Rolle von Papst Franziskus hervorgehoben haben. In diesem Kontext halte ich den bevorstehenden Besuch in Kuba für sehr wertvoll.
Was kann man von der Reise des Papstes nach Kuba erwarten - generell, aber auch für die Rolle der Katholischen Kirche in der kubanischen Gesellschaft?
Die Botschaft der Kirche, die der Papst überall wohin er fährt, mitnimmt, ist eine des Friedens, der Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung. Die vorherigen Papst-Reisen haben diese Botschaft vielen Menschen zugänglich gemacht, in einem Land, in dem die Katholische Kirche in den (staatlichen) Medien abwesend ist. Während des Besuches erreicht die Kirche und ihre Botschaft einen viel größeren Grad an Verbreitung.
Was kann Papst Franziskus bei seiner Visite von Seiten der kubanischen Regierung erwarten?
Es gab ja bereits die Ankündigung einer Amnestie für 3522 Häftlinge. Die kubanische Regierung ist nie verlegen gewesen, um bedeutsame Gesten des guten Willens gegenüber den Päpsten, die das Land besucht haben. Ich denke in diesem Sinne wird auch dieser Besuch nicht anders sein.
Die Beziehung zwischen Katholischer Kirche und kubanischem Staat ist nach der Revolution 1959 nicht immer die beste gewesen. Wie erklärt sich die Entspannung und die Rückkehr der Religiosität auf der Insel?
Das Thema Beziehung Staat-Kirche in Kuba beinhaltet sehr komplexe Aspekte, die sich nicht in Kürze darstellen lassen. Sie erfordern immer lange Erklärungen über historische Umstände, die unvermeidlich sind, um diese Fragen angemessen einzuordnen. Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt nicht die Zeit habe, sie zufriedenstellend zu beantworten.
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