Kein Gegenwind auf Kuba für Franziskus
Papst sieht bei Ankunft in Havanna Zeichen der Hoffnung »in Zeiten eines Dritten Weltkriegs in Etappen« / Raul Castro fordert Ende der Blockade
Havanna. Auf dem Platz der Revolution in Havanna stand am Sonntag eine mit Spannung erwartete Messe von Papst Franziskus auf dem Programm. Zum Willkommen auf der Karibikinsel gab es am Vortag erst einmal Reden. Kubas Präsident Raúl Castro, der den Papst an der Gangway empfing, schlug in einer recht ausgedehnten Begrüßung Brücken zwischen Apostolischen Schreiben und früheren Äußerungen des Pontifex und Ideen der Kubanischen Revolution. Deren Errungenschaften seien trotz der US-Blockade und Destabilisierungsversuchen verteidigt worden. Dank galt Franziskus für seine Vermittlerrolle bei der Annäherung zwischen den USA und Kuba. Nun müsse die Blockadepolitik beendet werden und Guantanamo, wo die USA eine Militärbasis unterhalten, zurückgegeben werden.
Die Annäherung erfülle mit Hoffnung, sagte der Papst in seiner kurzen Ansprache und rief beide Staaten auf, in »Zeiten eines Dritten Weltkrieges in Etappen« ein »Beispiel der Versöhnung« zu geben. Die Kirche werde »auch weiterhin das kubanische Volk mit seinen Hoffnungen und seinen Sorgen in Freiheit und mit allen notwendigen Mitteln« begleiten, sagte er unter Hinweis auf den Wunsch der Katholischen Kirche in Kuba, künftig eigene karitative und Bildungseinrichtungen auf der Insel zu betreiben.
Während die Papstreise im Zeichen des Ende des Kalten Krieges in der Karibik steht, geht im Hintergrund die Schritte der Gesten und kleinen Schritte zwischen den USA und Kuba weiter. Wie sowohl das Weiße Haus als auch das kubanische Außenministerium verlauten ließen, telefonierten US-Präsident Barack Obama und Raúl Castro am Freitagnachmittag miteinander. Dabei sprachen sie über Themen, die beide Seiten in den nächsten Wochen und Monaten behandeln wollen. Im Anschluss an den Papstbesuch wird Raúl Castro nach New York reisen, wo er am UNO-Gipfel zur Post-2015-Agenda teilnehmen wird. Beide Spitzenpolitiker werden zudem am 28. September vor der UN-Generalversammlung sprechen. Über ein direktes Treffen ist derzeit nichts bekannt.
Unmittelbar vor dem Papstbesuch hatte Obama am Freitag vermittels seiner Exekutivvollmachten weitere Beschränkungen für Reisen von US-Amerikanern nach Kuba und geschäftliche Aktivitäten von US-Unternehmen auf der Insel gelockert. Erstmals seit Jahrzehnten ist es US-Firmen nun erlaubt, direkt Geschäfte auf Kuba zu tätigen. So dürfen US-Firmen, die Kubas Telekommunikationsnetz ausbauen wollen, dort künftig Büros und Lagerhallen betreiben sowie Joint-Ventures mit kubanischen Unternehmen gründen.
US-Bürgern wird nunmehr auch gestattet, Bankkonten auf Kuba zu eröffnen. Kubanern dürfen dies jetzt außerhalb ihres Landes. Auch erlauben die USA Direktverbindungen von Kreuzfahrtschiffen zwischen den USA und Kuba. Telekommunikations- und Internetfirmen dürfen ihre Dienstleistungen auf Kuba anbieten, örtliche Programmierer beschäftigen und kubanische Software importieren. Dazu müssten allerdings zunächst kubanische Regularien geändert werden.
Im Weißen Haus hatte Obama am Donnerstag das Akkreditierungsschreiben des ersten kubanischen Botschafters in Washington seit 1961, Jose Ramon Cabanas Rodriguez, in Empfang genommen. Der Berufsdiplomat Cabanas war zuvor Chef der Interessenvertretung seines Landes in der US-Hauptstadt. Am 20. Juli hatten beiden Staaten wieder offiziell diplomatische Beziehungen aufgenommen - sichtbares Zeichen der Ende 2014 begonnenen Entspannungspolitik.
Allerdings werden Folgen der Annäherung zwischen den USA und Kuba nicht von jedermann uneingeschränkt positiv gesehen. Noch bevor Papst Franziskus in Havanna landete, äußerte sich der brasilianische Theologe Frei Betto, Autor des 1985 erschienenen Interviewbandes »Fidel y la religión«, vor der Weltpresse in Havanna. Sollten die US-Reisebeschränkungen völlig fallen, würden bis zu drei Millionen US-amerikanischen Kuba-Touristen im Jahr zu erwarten sein. Das könnte »einen Schock aus Konsum-Tsunami und kubanischer Austerität« auslösen, so Betto. Der Massentourismus aus den USA könne Probleme bringen, »denn oft wollen sie alles kaufen, nicht nur die alten Autos, die noch herumfahren, weil die kubanischen Mechaniker Wunderdinge vollbringen; sie wollen sich fühlen, als wären sie in ihrem eigenen Land, sie wollen ein Fast-Food-Restaurant an jeder Ecke, ihre eigenen Hotels… Sie haben Schwierigkeiten, respektvoll gegenüber den Leuten zu sein, die sie empfangen.«
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