Polens Wahlkämpfer gegen das »EU-Diktat«

Regierung betont bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Freiwilligkeit und viele Pfarreien wollen nur Christen

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Flüchtlingskrise ist wohl das härteste Thema im polnischen Wahlkampf - und gar nicht zuletzt auch eine Glaubensfrage.

Die Haltung in der Flüchtlingsdebatte werde für das Ergebnis der Parlamentswahlen am 25. Oktober in Polen ausschlaggebend sein, kommentierte Krzysztof Rak auf der Onet-Plattform. Der Schlagabtausch zwischen den beiden großen polnischen Parteien bildet derzeit den harten Kern der Auseinandersetzung. Die nach Alleinherrschaft strebende Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) und die verzweifelt ihre Ansprüche verteidigende »Bürgerplattform« (BO) versuchen davon zu überzeugen, dass gerade sie in der »Einwanderungskrise« am besten regieren können.

Dabei haben Spitzenvertreter der Kontrahenten im Wahlkampf eines gemeinsam. Sie sind gegen »das Diktat« der EU-Spitze. Zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheidend, sträuben sie sich, die vor dem Krieg flüchtenden Menschen in einer geforderten Zahl aufzunehmen. Wie hoch die Polen zugeteilte Quote sein wird, soll am heutigen Dienstag die EU-Innenministerkonferenz entscheiden.

Dass die Entscheidung Brüssel vorbehalten und nicht von der Regierung in Warschau gefällt wird, erhitzt die Gemüter der »politischen Klasse«. In der vor wenigen Tagen von der PiS beantragten Sondersitzung des Sejm zur »Migrantenfrage« war es Regierungschefin Ewa Kopacz, die vehement den Grundsatz der Freiwilligkeit betonte. Polens Regierung wolle seine Solidarität mit Europa bekunden, angesichts menschlichen Leids christlich handeln - aber nicht unter Zwang.

Für den PiS-Chef war das noch viel zu wenig. Die Regierung habe nicht das Recht, Fremde anderen Glaubens ins Land zu holen. Das sei verfassungswidrig. Beim Volk liege in dieser Frage das Recht zur Entscheidung. In seiner scharfen Rede sah Jaroslaw Kaczynski sogar eine zivilisatorische Gefahr aufkommen. Unter Hinweis auf Frankreich, Schweden und Deutschland behauptete er, dort würden Menschen, denen Glauben und Sitten dieser Länder fern seien, machen, was sie wollen. Solle etwa auch in Polen, so die rhetorische Frage, das Volk nicht mehr Herr im eigenen Hause sein?

Solche reaktionäre Demagogie zündet. Je nach Meinungsforschungsinstitut sind die Prozentsätze für oder gegen die Migranten verschieden. Mal ist eine Mehrheit für Humanität, mal für einen »wahren Patriotismus«. Welche Wirkung Aufrufe bekannter Intellektueller, »im Namen der Menschlichkeit« einer sich ausbreitenden humanitären Katastrophe entgegen zu wirken, haben können, ist kaum einzuschätzen.

Es gibt derweil sogar Gedankenspiele, dass der Römisch-katholischen Kirche in Polen eine Spaltung drohen könne. Schließlich gehorche sie nicht der Mahnung von Papst Franziskus, in der Flüchtlingsfrage keine Glaubenskriterien anzuwenden. In vielen Pfarreien wäre man bereit, einzelne Flüchtlinge aufzunehmen. Das gilt aber nur für Christen. Die Hierarchen schweigen dazu. Das konservative katholische Radio Maryja hält das Thema am Kochen.

Die Antworten von Staat und Wirtschaft auf die Frage nach den realen Möglichkeiten, Flüchtlinge aufzunehmen, unterscheiden sich. Doch eine »Zuteilung« von 10 000 bis 12 000 Menschen wäre überhaupt kein Problem. Das hängt aber diesmal nicht vom politischen Willen ab, denn es herrscht ja Wahlkampf.

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