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Schwer unter der Decke zu halten

Informationspolitik der Flughafengesellschaft zum überlasteten Terminaldach zweifelhaft

  • Andreas Fritsche, Wilfried Neiße und Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.
In Expertenkreisen war das Problem zu schwerer Ventilatoren im Terminal des Flughafens BER seit 2014 bekannt. Doch der Aufsichtsrat wurde offenbar erst spät und mangelhaft in Kenntnis gesetzt.

Im Terminal des künftigen Hauptstadtflughafens BER hängen 15 Ventilatoren unter dem Dach, die bei einem Brand Rauchgas absaugen sollen. 80 000 Kubikmeter Luft können sie jeweils pro Stunde im Notfall wegpusten, einige sogar 160 000 Kubikmeter. Bei der Berechnung der Statik des Gebäudes wurde im Jahr 2008 davon ausgegangen, dass die Ventilatoren jeweils 2000 Kilogramm schwer sind. Tatsächlich wurden später jedoch zehn Geräte eingebaut, die 2300 Kilogramm auf die Waage bringen, und fünf, die sogar 4000 Kilogramm wiegen.

Fachleute erklären, dass ingenieurtechnische Meisterleistungen wie ein solches Flughafenterminal von den Architekten so konstruiert werden, dass wenig Spielraum für höhere Gewichte bleibt. Eine Überlastung würde also für eine viel zu schnelle Ermüdung des Materials sorgen und über kurz oder lang zu einem Einsturz führen. Seit Freitag ist das Terminal vorsorglich gesperrt, seit Montag gilt ein vom Landkreis Dahme-Spreewald verhängter Baustopp. In Expertenkreisen waren die Statikprobleme bereits seit Dezember vergangenen Jahres bekannt.

Abgeordneter fragte nach Deckenlast

Erste Anzeichen für ein Statikproblem im Deckenbereich des BER-Terminals gab es wohl bereits im Dezember 2014. Der Piraten-Abgeordnete und Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses, Martin Delius, hatte am 11. Dezember 2014 eine schriftliche Anfrage an den Senat gestellt und wollte wissen: »Trifft es zu, dass in Bereichen des Terminals des Flughafens Berlin Brandenburg zu hohe Deckenlasten festgestellt wurden?« und: »Welche Maßnahmen wurden nach der Feststellung zu hoher Deckenlasten in welchen Bereichen ergriffen?«.

Die nüchternen Antworten: »Nach Angaben der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) wurden in keinem Bereich des Terminals des Flughafens zu hohe Deckenlasten festgestellt.« Auch die Nachfrage zu Konsequenzen aus einer möglicherweise überlasteten Deckenkonstruktion wies der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) zurück: »Nach Angaben der FBB waren Maßnahmen wegen zu hoher Deckenlasten nicht erforderlich.« Delius kommentiert jetzt die damalige Reaktion des Senats im Netz: »Ich glaube sofort, dass die FBB damals keine zu hohen Deckenlasten festgestellt hat. Sie haben einfach nicht nachgeschaut.« cod

Brandenburgs FDP-Landesvorsitzender Axel Graf Bülow empfiehlt, die Justiz einzuschalten. Er argumentiert: »Bei derartigem Versagen muss auch geprüft werden, welche Haftung der Aufsichtsrat hat, immerhin bestand möglicherweise Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen.«
Zumindest von der Sperrung erfuhr der Aufsichtsrat allerdings erst am Samstagabend. Weil die »BILD am Sonntag« an der Sache dran war, informierte Flughafenchef Karsten Mühlenfeld die Aufsichtsratsmitglieder schnell und knapp per Rundmail. Um 20.58 Uhr oder auch eine Minute später gingen die Nachrichten ein.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) soll laut »Tagesspiegel« von den Problemen trotzdem erst am nächsten Tag aus der Zeitung erfahren haben, da er seine Mails nicht durchgesehen hatte. Dort lag die Information für ihn aber wenigstens bereit. Die Pressestelle sollte indessen offenbar nur für den Fall zeitnah eine Erklärung herausgeben, dass die »Bild am Sonntag« auch wirklich über die Sache berichtet. Währenddessen soll das Boulevardblatt sogar besser und früher Bescheid gewusst haben als Flughafenchef Karsten Mühlenfeld höchstpersönlich.

»Indiskutabel« nennt Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel die Informationspolitik. »Schon wieder erfährt die Öffentlichkeit erst aus den Medien von Problemen, bevor sich das Unternehmen bequemt, dazu Stellung zu nehmen«, bemängelt Vogel. Der Berliner CDU-Abgeordnete Stefan Evers stellt fest: »Frühere Flughafenchefs haben den Aufsichtsrat bewusst über den Zustand auf der Baustelle getäuscht.« Das Vertrauen in Mühlenfeld sei nun ganz erheblich gefährdet. Vogel und Evers haben Zweifel, ob der anvisierte Termin für die Eröffnung des Flughafens in der zweiten Hälfte des Jahres 2017 noch zu halten ist.

Die Flughafengesellschaft FBB ahnt schon, dass es nicht genügen wird, die Statik noch einmal neu durchzurechnen, da einige Ventilatoren tatsächlich doppelt so schwer sind wie gedacht. Da muss umgeplant und umgebaut werden. Die FBB meint aber, die Sperrung müsse nicht so lange dauern, da man übergangsweise von unten abstützen könne.

»Ich komme aus dem Schiffbau und ich weiß, wie leicht die Tragfähigkeit einer Decke einzuschätzen ist«, äußert Brandenburgs Linksfraktionschef Ralf Christoffers. Er versteht, dass über einen Abschied von dem Bauprojekt debattiert wird. »Dennoch halte ich einen Ausstieg aus dem Standort Schönefeld im Grundsatz nicht für möglich«, sagt er. Inzwischen seien mehrere Milliarden Euro verbaut. »Eine Schließung der Baustelle und ein Neubau an anderer Stelle kann die öffentliche Hand nicht leisten.« Er wolle nicht ausschließen, dass sich private Investoren beteiligen, sagt Christoffers. Im Nachhinein stelle sich heraus, dass die Trennung vom Baukonzern Hochtief, der den Flughafen ursprünglich bauen wollte und sollte, problematisch war.

»Ziemlich ernüchtert« zeigt sich CDU-Amtskollege Ingo Senftleben. Er hatte gehofft, »dass wir in Deutschland nicht nur mit dem Bau beginnen, sondern ihn auch zu Ende bringen können«, doch sei dies »hier offensichtlich nicht der Fall«.

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