Nachwuchs will mehr
Ver.di-Bundesjugendsekretär Jan Duscheck im Gespräch
Die ver.di-Jugend ist mit 77 Mandaten auf dem ver.di-Bundeskongress vertreten, die Senioren mit 118. Bildet das die Verhältnisse in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ab?
Ja. Und man muss nicht drum herum reden, dass wir vor einer demografischen Herausforderung stehen werden. Das Durchschnittsalter in ver.di liegt um die 52 Jahre, ist zehn Jahre höher als der Bundesdurchschnitt. Ich nehme aber jetzt wahr, dass das ernst genommen wird. In den Landesbezirken und Fachbereichen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man mehr für die Nachwuchsentwicklung tun muss als in der Vergangenheit. Da passiert etwas, aber das ist mir noch zu wenig.
Es heißt, bei den Auszubildenden habt ihr einen Organisationsgrad von 50 Prozent, das reicht nicht?
Da ging es um das Beispiel Telekom, die machen das richtig super, und es gibt auch andere Bereiche, wo das sehr gut läuft. Aber es gibt auch Bereiche, wo Auszubildende gar nicht oder sehr wenig angesprochen werden. Es ist auch ein Anliegen der ver.di-Jugend auf diesem Kongress, dass sich die Situation überall verbessert.
Jan Duscheck ist Bundesjugendsekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Der 30-Jährige ist zuständig für 114 000 Jugendliche und 30 000 Auszubildende. In Leipzig sprach mit ihm Jörg Meyer.
Und wie geht das?
Zunächst muss man gucken, wo es Auszubildende gibt, die angesprochen werden können und wollen - und dann muss es auch jemand machen. Personal- und Betriebsräte müssen sich stärker verantwortlich fühlen als bisher. Wir haben eine schlagkräftige Jugendstruktur, das ist gut, aber das führt manchmal auch dazu, dass die Älteren der Meinung sind: »Das soll mal unsere Jugend machen, wir fühlen uns nicht verantwortlich.« Das ist eine Haltung, die wir uns nicht leisten können. Auch die Tarifarbeit müsste für junge Leute attraktiver werden.
Wie bitte?
Es müssen bei Tarifrunden neben Forderungen der Generation über 45 auch junge Beschäftigte und Auszubildende stärker im Fokus der Tarifarbeit stehen. Dazu gehören Themen wie Einstiegsgehälter, Übernahmeregelungen und befristete Arbeitsverträge. Und das ist eigentlich unsere politische Mission für diesen Bundeskongress: Wir wollen genau auf diese Themen aufmerksam machen. Das sind vielleicht interne Gewerkschaftsthemen aber sie sind existenziell für die gesamte Organisation.
Die Schwestergewerkschaft NGG klagt beispielsweise bei Köchen über eine Abbrecherquote von 50 Prozent …
Bei uns wäre das das Wach- und Sicherheitsgewerbe. Hier brechen sehr viele Auszubildende ab. Aber es geht ja um mehr. Wir fordern eine Ausbildungsquote, die deutlich über Bedarf liegt. Das heißt, dass sich Jugendliche das Was und Wo ihrer Ausbildung aussuchen können.
Wie bewertet die Jugend das Wahlergebnis von Frank Bsirske? Der neue und alte ver.di-Chef hat 88,51 Prozent der Stimmen erhalten.
Das ist ein sehr gutes Ergebnis, und es gibt in der Jugend eigentlich niemanden, der ihn in Frage stellt.
Er will bis 67 im Amt bleiben. Obwohl ver.di die Rente mit 67 strikt ablehnt.
Natürlich ist das diskutiert worden. Wir lehnen die zwangsweise Anhebung des Rentenalters auf 67 entschieden ab. Deshalb muss es die Möglichkeit geben, eher aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu können. Es gibt bestimmte Berufsgruppen, nehmen wir beispielsweise die Pflege oder die Ver- und Entsorgung, da kann man nicht bis 67 arbeiten. Aber unsere Haltung ist nicht, jemandem das Arbeiten bis 67 zu verbieten, wenn er das kann und möchte. Wir wollen niemanden aus dem Erwerbsleben drängen. Und Frank Bsirske traut sich das zu, er ist fit, dann soll er das auch machen.
Und wie lange zählen die ver.di-Mitglieder zur Gewerkschaftsjugend?
Bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres. Aber es gibt auch ein Gewerkschaftsleben nach der Jugend.
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