Es lohnt sich nicht, Ärztin zu sein
Im sibirischen Tschita greifen die »Mai-Erlasse« zur Verbesserung der Lage im Gesundheitswesen nicht mehr
Vom Glanz der großen Städte Moskau und Petersburg fällt traditionell wenig auf die russische Provinz. Hier kämpfen sogar die Mediziner selbst ums Überleben.
Ihr Juligehalt bekam Natalja am 31. August. »70 Prozent«, sagt die Kinderärztin und alleinerziehende Mutter aus dem 6000 Kilometer von Moskau entfernten Tschita im sibirischen Baikalgebiet. »Wenn meine Eltern nicht wären, müssten wir hungern.« Den Tanzzirkel für die neunjährige Tochter Anastasia habe sie streichen müssen. Ob sie Geld durch Schichten bei der Nothilfe verdienen kann, ist nicht sicher. Auch andere Kollegen haben das »Geschäftsfeld« bereits entdeckt, sagt sie. »Sogar Urologen und Gynäkologen.«
Er ist wieder da: Der Kampf ums Überleben wie in den wilden Neunzigern. Daran erinnert sich Natalja, die zum Ende der Sowjetunion 1991 sechs Jahre alt war, nur verschwommen. Unternehmen wie Behörden, heißt es sogar bei der staatlichen Statistikbehörde Rosstat, seien bei ihren Angestellten allein für Juli bis August bei Lohn und Gehalt mit insgesamt umgerechnet 81 Millionen Euro im Rückstand.
Wie damals werden Industriearbei...
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