Rechts für Rüpel, links für Lady

Netze am Harzer Mühlwegstollen: Fledermausforscher nutzen den Brautflug der Tiere zur Zählung und Beringung

  • Uwe Kraus, Blankenburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Es war eher ein Zufall: Im August 2014 entdeckten Forscher das wohl bedeutendste Fledermausquartier im Norden Deutschlands. Seitdem steht der Mühlwegstollen im Harz unter intensiver Beoachtung.

»Rechts für Rüpel, links für Lady - so werden die Fledermäuse beringt, damit wir sie beim Wiederfinden besser unterscheiden können«, erklärt Robert Drangusch, der Hallenser Fledermausexperte, und steckt einer frisch gefangenen Wasserfledermaus eine winzige Klammer auf. Die wiegt weniger als ein Regentropfen - 0,028 Gramm. Drangusch gehört zum Arbeitskreis Fledermausschutz Sachsen-Anhalt, der seine Fledermausnetze an diesem Tag am Mühlwegstollen in der Nähe der Harzer Rübelandbahn aufgestellt hat.

Die Zeit ist günstig für die Bestandsaufnahme beim Ein- und Ausschwärmen, sind doch die Tiere gerade auf Brautflug. Um die 40 Tiere gehen den Naturschützern am Abend ins Netz. Dann nimmt Drangusch den Messschieber und untersucht die Flügelknochen, an denen das Alter bestimmt werden kann, setzt alle Tiere auf die Waage. Eine 39-jährige Wasserfledermaus und eine 30-jährige Bartfledermaus konnten so in Sachsen-Anhalt registriert werden. Auch ein besonderer Weitflieger kommt aus diesem Bundesland: Eine Rauhautfledermaus bekam am 25. April 2015 den Ring in Plötzkau aufgeschoben und ging den Forschern 818 Kilometer entfernt in Litauen ins Netz.

Bernd Ohlendorf, Sachsen-Anhalts oberster Fledermausschützer, kommt ins Schwärmen, wenn er vom Mühlwegstollen bei Blankenburg spricht. »Es war einfach eine Sensation für den Harz. Wir waren völlig überrascht, wie viele Tiere sich unter den ungünstigen Zugangsbedingungen in der Grube Braunesumpf aufhalten. Am 24. August 2014 stießen wir eher zufällig bei unseren Forschungen auf dieses Gebiet. Aus gesamtdeutscher Sicht ist es wohl das bedeutendste Quartier im Norden, in dem die Fledermäuse leben und abtauchen können.«

Im vergangenen Jahr fingen die Mitglieder des Fledermaus-Arbeitskreises, der 85 Mitglieder zählt und von weiteren ehrenamtlichen Naturfreunden unterstützt wird, am Mühlwegstollen insgesamt 1070 Tiere, markierten sie und ließen sie wieder fliegen. Dabei konnten sie neun Fledermausarten nachweisen. Da nur einmal wöchentlich von der Dämmerung bis gegen 2 Uhr gefangen wurde, rechnen die Wissenschaftler mit einem Bestand von rund 6400 Tieren.

»In der Südharzer Heimkehle, einer der größten deutschen Karsthöhlen, haben wir innerhalb von zwei Jahren 90 Bechsteinfledermäuse gefangen, hier waren es nach der Entdeckung in zwei Monaten weit über 200«, erzählt Ohlendorf. Zudem gehören Fransen-, Wasser-, Mops- und die Rauhautfledermaus zu den Stollenbewohnern. »Überrascht hat uns das Mausohr, das durch eine knapp 20 Zentimeter große Stollenöffnung einfliegt, denn das Mausohr gilt als größte Fledermausart hierzulande«, erläutert Drangusch.

Bernd Ohlendorf, Leiter der Referenzstelle Fledermäuse Sachsen-Anhalt, weiß, warum sich die Fledermäuse im östlichen Harz so wohl fühlen. »Der Westen ist total verfichtet, die Tiere lieben die Föhnlage in den Laubwäldern des Nordharzes, wo sie natürliche Höhlen im Totholz finden. Die Grube Braunesumpf dürfte nun neben dem Rübeländer Höhlensystem das bedeutendste Felsquartier für Fledermäuse landesweit zu sein.«

Die Fledermausfreunde aus Sachsen-Anhalt sind international vernetzt und suchen sich gelegentlich auch fachfremde Unterstützer. 2015 »besenderten« sie im Oderbruch erstmals Fledermäuse, übergaben Funkamateuren die Frequenzen und lobten begehrte Diplome für jene aus, die Empfangsberichte für diese Fledermäuse einsenden.

Bei ihren Fangaktionen treffen die Fledermausfreunde immer wieder auf Tiere, die aus Franken, Thüringen und Sachsen in den Harz einfliegen. Das sei gerade für den Genpool wichtig, um das Aussterben zu verhindern. Immerhin gelten die Fledermäuse als gefährdete Arten.

Doch nicht nur natürliche Feinde wie der Waldkauz, der sich unmittelbar am Mühlwegstollen der Grube Braunesumpf niedergelassen hat, und die Waschbären, gefährden die Bestände. In seiner Kühltruhe bewahrt Ohlendorf zahlreiche Windkraft-Opfer auf. »400 000 Fledermäuse«, sagt er, »werden in Deutschland pro Jahr durch den Luftdruck der Rotoren innerlich zerrissen, erleiden ein Barotrauma und verbluten.«

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