Werbung

Eine gute Karikatur kritisiert scharf, agitiert aber nicht

In Deutschland stießen und stoßen die Mohammed-Karikaturen auch bei Berufskollegen Westergaards auf ein geteiltes Echo

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.
Hat die Mohammed-Karikatur von Kurt Westergaard islamischen Fundamentalismus kritisiert oder war der »Turban als Bombe« schlechte Agitprop?

Das Gute an Kalauern ist, sie sind gemeinhin ungefährlich - sowohl für die Adressaten des Spotts als auch für die Verfasser des simplen Witzes. Von Satire kann man das nicht sagen. Trifft sie, verletzt sie gar die Gefühle der oder des Adressaten, dann wird sie nicht nur für den Satiriker zum ernsthaften Problem. Als 2013 die Akademie der Künste (AdK) in ihrer beschaulichen Zweitresidenz im Berliner Stadtteil Tiergarten zum Akademiegespräch über die Grenzen des politischen Witzes lud und eine spannende Debatte u.a. mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt und dem österreichischen Zeichner Gerhard Haderer (»Stern«) versprach, musste die Veranstaltung gesichert werden wie für einen Staatsbesuch.

Der Grund dafür hieß Kurt Westergaard - der dänische Zeichner, der 2005 mit seiner Mohammed-Karikatur den Zorn fundamentalistischer Muslime auf sich gezogen hatte und seitdem um sein Leben fürchten musste. Die hohen Sicherheitsvorkehrungen wurden damals jedoch just in dem Moment hinfällig, als bekannt wurde, dass Westergaard aus gesundheitlichen Gründen nicht leibhaftig anwesend sein konnte. Stattdessen gab es eine Videobotschaft Westergaards.

Das war einerseits für das Publikum beruhigend und entspannend, andererseits aber auch schade, denn man hätte schon gerne gewusst, wie Westergaards Replik auf die Kritik von Hildebrandt ausgefallen wäre. Der hatte zwar den Zeichner gegen die Angriffe in Schutz genommen, brachte allerdings ästhetische Einwände gegen seine Zeichnung vor. Eine gute Karikatur könne man daran erkennen, dass man auf den ersten Blick wisse, um wen es sich bei der gezeichneten Person handele. Die Zeichnung des Dänen Westergaard gehöre nicht in diese Kategorie: »Die Bombe auf dem Kopf war gut, der Mohammed nicht.«

Noch schärfer äußerte sich dieser Tage der Cartoonist Til Mette gegenüber dem Radiosender »Deutschlandfunk«. Er verteidigte zwar die Zeichnung, sagte aber auch, dass er selbst »so etwas« nie zu Papier bringen würde. »Ich bin deshalb Zeichner geworden, weil ich genau gegen diese Generation von Zeichnern antreten wollte.« Den »Turban als Bombe« bezeichnete Mette als »völlig brutale Agitprop-Zeichnung«, die »keinerlei Sensibilität« besitze und nur »Hau-drauf-Fantasien beflügelt«.

Müssen Karikaturisten sensibler gegenüber den Adressaten ihres Spotts sein, brauchen Satiriker mehr Verantwortungsbewusstsein? Einerseits ja. Vielfach wird vom säkularisierten Teil der Gesellschaft unterstellt, Muslime (bzw. generell religiöse Menschen) würden sich durch Karikaturen wie die von Knut Westergaard (oder Christen durch bestimmte Motive etwa im deutschen Satiremagazin »Titanic«) beleidigt fühlen. Verletzung meint jedoch etwas anderes. Viele Muslime hätten in Westergaards Zeichnung die Absicht gespürt, »die hinter diesen Kränkungen, Angriffen steckt«, sagt die Berliner Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer im »Deutschlandfunk«.

Andererseits muss diese Frage verneint werden. Auf der eingangs erwähnten AdK-Veranstaltung beschrieb der damalige AdK-Präsident Klaus Staeck Satire als Störung des Normalbetriebs von Politik (er vergaß, hinzuzufügen: von Kirche bzw. Religion) und Herrschaft. Satire ist also der Kampf gegen das Unheil der Intoleranz, das nicht nur in der Religion anzutreffen ist, sondern überall dort beginnt, wo der Wunsch, alle mögen das Gleiche denken, das Denken vergiftet.

Auch Gudrun Krämer zieht übrigens aus ihrer Kritik an den Mohammed-Karikaturen nicht die Schlussfolgerung, dass Muslime und deren Religion (bzw. Religionen an sich) von Satire verschont werden sollten. »Das kann überhaupt nicht die Folgerung sein. Die Muslime und ihre Werte dürfen selbstverständlich nicht ausgenommen sein. Es ist die Frage, ob man die Kritik, die vollkommen legitim und notwendig ist, fest macht oder übersetzt in eine Karikatur des Propheten Mohammed. Manchmal muss man auch ein bisschen strategisch denken.«

Strategisches Denken ist allerdings eine Charaktereigenschaft, die Karikaturisten und Satirikern naturgemäß nicht eigen ist, denn sie wittern instinktiv dahinter die Aufforderung, man möge doch das Denken einhegen. Satire wird daher immer gefährlich bleiben.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.