»Gegängelt und bevormundet«

Wieso wurden Ermittlungen gegen Tausende Ärzte eingestellt? Gibt es im Oktober Klarheit?

  • Carsten Hoefer, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Warum schonte Bayerns Justiz Tausende mutmaßlich betrügerische Ärzte vor Strafverfolgung? Am 19. Oktober soll endlich die verantwortliche Staatsanwältin im Untersuchungsausschuss aussagen.

»Merkwürdig war das schon«, sagt Richterin Brigitte Schroeder. »Dass das so schnell eingestellt worden ist.« Die Juristin findet sich am Dienstag in ungewohnter Rolle wieder: Im Zeugenstuhl des Untersuchungsausschusses Labor muss sie sich ungeduldigen Fragen der Abgeordneten stellen. Denn vor sieben Jahren hatte Schroeder noch einen ganz anderen, brisanten Job: Leiterin der Korruptionsabteilung bei der Staatsanwaltschaft München I. Diese Abteilung führte knapp drei Jahre lang ein Großverfahren wegen vermuteten Abrechnungsbetrugs mit Beteiligung mehrerer tausend Ärzte.

Doch der Ermittlungsaufwand war großenteils umsonst: 2008 gaben die Ermittler den Komplex auf Anraten der Generalstaatsanwaltschaft München an ihre Augsburger Kollegen ab. Die dortige Staatsanwaltschaft wollte die Ermittlungen zunächst weiter vorantreiben, absolvierte jedoch Anfang 2009 eine überraschende Kehrtwende. Quasi über Nacht wurden die Ermittlungen in den allermeisten Fällen eingestellt. Das ist es, was Richterin Schroeder merkwürdig findet.

Seit Monaten müht sich der Untersuchungsausschuss im bayerischen Landtag, Licht in das Dunkel zu bringen. Anlass für seine Einsetzung war der Vorwurf, politische Einflussnahme aus Richtung der CSU sei der Grund gewesen, warum die Ermittlungen im Sande verliefen. Denn im Zentrum des Falles steht der Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf. Er hatte der CSU im Laufe der Jahre so viel Geld überwiesen, dass die CSU-Landesleitung ihn zweimal zu einem jener Abendessen mit dem damaligen Parteichef Edmund Stoiber einlud, mit denen Großspendern gedankt wird. Quelle der Vorwürfe sind mehrere unzufriedene Kriminalpolizisten, die sich in der SoKo Labor des Landeskriminalamts jahrelang abmühten - und am Ende feststellen mussten, dass sie für den Papierkorb gearbeitet hatten. Doch einen Beweis konnte keiner der Polizisten dem Untersuchungsausschuss präsentieren.

Nun geht der Untersuchungsausschuss in die heiße Phase: In den nächsten Wochen wird eine ganze Reihe von Staatsanwälten aussagen müssen, die mehr über den Ablauf der Entscheidungen wissen als die Polizisten. Richterin Schroeder hält sich bei ihrer Aussage ziemlich bedeckt. An vieles kann sie sich nicht erinnern. So weiß sie nicht, warum die Generalstaatsanwaltschaft die Abgabe des gesamten Schottdorf-Komplexes an die Augsburger Staatsanwaltschaft wünschte. »Ich habe da keine Kenntnis dazu«, sagt sie.

Doch Schroeder berichtet, dass die Generalstaatsanwaltschaft eine andere Rechtsmeinung vertrat als sie selbst sowie der Staatsanwalt Andreas Harz, der das Verfahren in München führte. Die Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft hielten das von Schottdorf und seinen Kunden praktizierte Abrechnungssystem nicht für Betrug - ein Irrtum, wie sich später herausstellte.

Harz hatte am Vortag ausgesagt, er habe sich von der Generalstaatsanwaltschaft »gegängelt und bevormundet« gefühlt. Es war auch eine Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft, die Harz 2008 nahelegte, sich für eine Beförderung zum Richter zu bewerben. Bei der Entscheidung, das Verfahren nach Augsburg zu geben, hatte Harz keine Mitsprache, obwohl er zuvor jahrelang die Federführung bei den Ermittlungen gehabt hatte. »Der Herr Harz war da nicht mit eingebunden«, berichtet Schroeder.

Geklärt werden muss nun, warum die Generalstaatsanwaltschaft den Ermittlungseifer der Münchner bremste. Eine entscheidende Sitzung des Untersuchungsausschusses ist für den 19. Oktober angesetzt: Dann muss die Augsburger Staatsanwältin als Zeugin aussagen, die die Ermittlungen Anfang 2009 zur Überraschung der Münchner Kollegen umstandslos einstellte. Sie hatte das Verfahren erst wenige Wochen vorher übernommen. Eine entscheidende Frage: Handelte sie aus eigenem Antrieb - oder gab es eine Order von höherer Stelle? dpa/nd

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